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Reaktion auf Überfall : China will keine Invasion erkennen

Russlands Machthaber Wladimir Putin und Chinas Machthaber Xi Jinping Anfang Februar in Peking Bild: via REUTERS

Erst vor Kurzem haben sich Xi Jinping und Wladimir Putin eine „Freundschaft ohne Grenzen“ versprochen. Wie weit reicht sie nach dem russischen Angriff auf die Ukraine? Von einer Invasion will man in Peking jedenfalls nichts wissen.

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          Immer wieder wurde die Sprecherin des chinesischen Außenministeriums am Donnerstag gefragt, ob China die russische Invasion in der Ukraine verurteile. Immer wieder wich Hua Chunying aus. Mit Sätzen wie „Wir warten noch auf weitere Informationen.“ Und: „Das ist die typische Art westlicher Medien, Fragen zu stellen.“ Oder: „Wir alle sollten dem Frieden eine Chance geben.“

          Friederike Böge
          Politische Korrespondentin für China, Nordkorea und die Mongolei.

          Zu diesem Zeitpunkt waren längst Raketenangriffe aus verschiedenen Teilen der Ukraine gemeldet worden. Selbst die chinesische Botschaft in Kiew hatte da schon die eigenen Staatsbürger gewarnt, dass „Militäroperationen im Gange“ seien und mehrere Städte bombardiert worden seien. Doch Hua Chunying sprach von einem „sogenannten Angriff“. Ansonsten vermied sie es, das Kriegsgeschehen in der Ukraine überhaupt mit eigenen Worten zu benennen. Stattdessen verwies sie auf eine Erklärung des russischen Verteidigungsministeriums. Das habe schließlich mitgeteilt, dass es keine Angriffe auf ukrainische Städte geben werde, sagte Hua.

          Auch China gegen Erweiterung der NATO

          Außenminister Wang Yi machte später unmissverständlich klar, dass China an der Seite Russlands steht. In einem Telefonat mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow sagte er laut einem Bericht des Staatsfernsehens, China „versteht Russlands legitime Sicherheitsbedenken“. In dem gleichen Bericht wurde Lawrow mit den Worten zitiert, Russland sei gezwungen worden, notwendige Maßnahmen zu ergreifen, um seine Interessen zu sichern.

          Wang Yis Sprecherin hatte zuvor gesagt: „Was wir heute sehen, ist nicht das, was wir uns zu sehen gewünscht haben.“ Die Verantwortung dafür wies sie aber nicht Russland, sondern allein den Vereinigten Staaten zu. „Die USA fachen die Flammen an“, sagte sie unter Verweis auf amerikanische Waffenlieferungen an die Ukraine. Obwohl der Krieg da längst im Gange war, warf sie Washington einmal mehr vor, „die Kriegsgefahr aufgebauscht“ zu haben.

          Schon am Mittwoch hatte Hua Chunying die westlichen Sanktionen gegen Russland als wirkungslos verurteilt. Am Donnerstag bestätigte sie, dass China den Handel mit Russland aufrecht erhalten werde. Das schließe die Lieferungen von Öl und Gas ein.

          China beschreibt den Schutz der Souveränität und territorialen Integrität aller Länder regelmäßig als eines der Grundprinzipien seiner Außenpolitik. Erst kürzlich hatte der chinesische Außenminister Wang Yi versichert, dass dies auch für die Ukraine gelte. Am Donnerstag schien seine Sprecherin das jedoch einzuschränken: „Die Sicherheit eines Landes sollte nicht zum Nachteil eines anderen Landes sein“, sagte sie und verwies einmal mehr auf die „legitimen Sicherheitsinteressen“ aller beteiligten Seiten. Das bezieht sich auf Russlands Ablehnung einer Erweiterung der NATO, der sich Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping in einer gemeinsamen Erklärung mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin Anfang Februar erstmals angeschlossen hat. Der Krieg in der Ukraine ist der erste Test für die „Freundschaft ohne Grenzen“, die sich die beiden Staatschefs vor Kurzem, am Tag der Eröffnung der Olympischen Winterspiele in Peking, versichert hatten.

          Verzweiflung in Kiew: Eine Frau sitzt auf ihrem Gepäck, während sie am Bahnhof darauf wartet, die Stadt verlassen zu können. Bilderstrecke
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          Die amerikanische Regierung rief China auf, seinen „erheblichen Einfluss“ auf Russland zu nutzen, um Putin zum Rückzug seiner Truppen zu drängen. Alles andere sei mit Pekings Bekenntnis zum Schutz von Souveränität und territorialer Integrität nicht vereinbar, sagte der Sprecher des State Department Ned Price. Die Sprecherin des chinesischen Außenministeriums wies das zurück. Die Vereinigten Staaten seien „nicht befugt, China zu sagen, was es zu tun hat“. Außerdem fälle Russland seine Entscheidungen, ohne sich mit China abzustimmen.

          Im Zweifel die chinesische Fahne zeigen

          Das State Department zeigte sich beunruhigt über den chinesisch-russischen Schulterschluss. Beide Seiten strebten eine neue „destruktive“ Weltordnung an. China stellt den Krieg in der Ukraine hingegen als einen Konflikt zwischen Russland und den Vereinigten Staaten dar. Europa sieht Peking dabei als Anhängsel Washingtons. Ohne die Länder beim Namen zu nennen, warf Hua Chunying Deutschland und Frankreich indirekt vor, „manchmal blind im Gleichschritt“ mit Amerika zu gehen. Was in der Ukraine geschehe, sei nicht im Interesse Europas, sagte sie. Berlin und Paris müssten sich fragen, „ob sie genug getan haben, um zu vermitteln“ und „ob sie das Richtige getan haben“.

          Die chinesische Botschaft in Kiew warnte derweil die in der Ukraine verbliebenen Chinesen, dass sich die „Situation dramatisch verschlechtert“ habe. Anders als andere Länder hatte China bisher darauf verzichtet, die eigenen Staatsbürger zur Ausreise aufzufordern. Nun wurden die Staatsbürger aufgefordert, zu Hause zu bleiben, sich von den Fenstern fernzuhalten und sich gegenseitig zu unterstützen. Bei Überlandfahrten könnten chinesische Staatsbürger die chinesische Fahne sichtbar an ihrem Auto befestigen, hieß es in der Mitteilung. „Verfallen Sie bitte nicht in Panik. Die Botschaft wird ihr Bestes tun, Ihnen beizustehen und Ihre Probleme zu lösen,“, hieß es.

          Insgesamt schien die chinesische Diplomatie am Donnerstag den Ereignissen hinterherzurennen, so auch im UN-Sicherheitsrat. Noch nachdem der russische Präsident Wladimir Putin am Morgen seine „militärische Spezialoperation“ verkündet hatte und erste Explosionen aus verschiedenen ukrainischen Städten gemeldet wurden, sagte der chinesische Botschafter Zhang Jun, „die Tür zu einer friedlichen Lösung ist nicht vollständig geschlossen.“

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