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„Unbeabsichtigt“ im Luftraum : Peking gerät in Erklärungsnot nach Abschuss von Ballon

Wang Wenbin, Sprecher des chinesischen Außenministeriums in Peking Bild: dpa

Das chinesische Außenministerium behauptet, auch ein zweiter Ballon über Lateinamerika sei vom Weg abgekommen. Zugleich verschärft Peking den Ton – und ringt um Gesichtswahrung.

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          Die chinesische Regierung geriet am Montag in Erklärungsnot, als sich eine Sprecherin des Außenministerium erstmals seit dem Beginn der Ballon-Affäre in einer regulären Pressekonferenz den Fragen von Journalisten stellen musste. Auf die Frage nach dem zweiten mutmaßlichen Spionageballon, der über Lateinamerika gesichtet worden war, sagte Sprecherin Mao Ning, auch dieser sei „unbeabsichtigt“ in den Luftraum lateinamerikanischer Staaten geflogen. „Er dient zivilen Zwecken und wird angesichts begrenzter Manövrierbarkeit vom Wetter beeinflusst.“

          Friederike Böge
          Politische Korrespondentin für China, Nordkorea und die Mongolei.

          Als die Journalisten wissen wollten, wie es denn sein könne, dass China gleich über zwei Ballons die Kontrolle habe verlieren können, musste Mao passen. „Ich bin keine Expertin. Es ist mir nicht genehm, diese Frage zu beantworten“, sagte sie unter Rückgriff auf eine häufig genutzte chinesische Formulierung. Der amerikanischen Regierung warf sie vor, die Angelegenheit nach dem Abschuss des chinesischen Ballons „weiter aufzubauschen“. Das sei inakzeptabel und unverantwortlich.

          In einem ähnlichen Tonfall hatte die chinesische Regierung am Montagmorgen beim amerikanischen Botschafter in Peking offiziell Protest gegen den Abschuss des mutmaßlichen Spionageballons durch das amerikanische Militär eingelegt. Der stellvertretende Außenminister Xie Feng habe der amerikanischen Regierung auf diesem Wege mitgeteilt, dass das Vorgehen der Vereinigten Staaten den „Bemühungen beider Seiten um eine Stabilisierung der chinesisch-amerikanischen Beziehungen ernsten Schaden zugefügt“ habe, hieß es am Montag in der Mitteilung des Außenministeriums. Xie habe die amerikanische Regierung aufgefordert, „keine weiteren Maßnahmen zu ergreifen, die Chinas Interessen schaden“.

          Peking blieb bei seiner Version, wonach es sich um ein „ziviles Luftschiff“ gehandelt habe, das unbeabsichtigt durch „höhere Gewalt“ in den amerikanischen Luftraum geflogen war. Zugleich verschärfte Xie die bisherige Wortwahl und bezeichnete den Abschuss des Objekts als „wahllosen Einsatz von Gewalt“. Die Vereinigten Staaten zeigen sich überzeugt, dass die Ballon-Operation dazu diente, amerikanische Militäranlagen auszukundschaften. Xie, der als neuer chinesischer Botschafter in Washington gehandelt wird, bezeichnete das als Verleumdung. Die chinesische Regierung werde „die Entwicklung der Lage genau verfolgen“.

          Militärtaucher versuchen, die Trümmer zu bergen

          Für China geht es nach der Zerstörung des Ballons um die Frage, wie die amerikanische Regierung mit geborgenen Trümmerteilen umgeht, aus denen sich mutmaßlich Rückschlüsse über nachrichtentechnische Fähigkeiten Chinas ziehen lassen. Nach Angaben aus dem Pentagon sind zur Stunde Militärtaucher damit beschäftigt, die Trümmer zu bergen. Man gehe davon aus, dass die Operation mehrere Tage andauern werde. Pekings Interesse besteht darin, dass möglichst wenig über die Auswertung der technischen Geräte an Bord des Ballons an die Öffentlichkeit gerät, auch um sein Gesicht zu wahren. Eine Rückgabe der Gerätschaften hat Peking bisher nicht gefordert.

          Das könnte auch daran liegen, dass sich die Wahrnehmung der Affäre in der chinesischen Öffentlichkeit zunächst weitgehend im Sinne Pekings entwickelt hatte. Im chinesischen Internet hatte sich ein Narrativ verbreitet, wonach der Abschuss des Ballons durch ein F-22-Kampfflugzeug ein Zeichen amerikanischer Schwäche sei, weil viel Lärm um nichts gemacht werde und ein einfacher Ballon ausreiche, um das Land in Aufruhr zu versetzen. Ob die jüngsten Erklärungsnöte der Ministeriumssprecherin einen Meinungsumschwung bewirken, bleibt abzuwarten.

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