Sie alle kennen einen der Toten
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Zwei Frauen beten am Tag nach dem Massaker in einer Baptistenkirche in Buffalo. Bild: AP
Viele Bürger von Buffalo haben kein Auto, kein Geld und keine Zukunft. Als auch noch ein Rassist um sich schießt, wird alles zu viel. Ein Stimmungsbild aus einer zutiefst segregierten Stadt.
Erika weiß, wie Schüsse klingen. Einmal wurde jemand gegenüber von ihrem Haus neben der Bibliothek erschossen, ein anderes Mal jemand links die Straße runter. Das ist nichts, was ihr Angst macht. Diese Leute hatten Probleme miteinander, nicht mit ihr. Die Schüsse am Samstag waren von einer ganz anderen Sorte. „Sie klangen anders, es waren so viele, so schnell.“ 19 Schüsse waren es allein in den ersten neun Sekunden, bis der Täter die Tür des Supermarkts erreichte. 19 Schüsse, mit denen er vier Menschen traf und drei von ihnen tötete. Die ersten von insgesamt zehn Opfern. Erikas Veranda, auf der sie gerade die wummernde Musik leiser gedreht hat, ist nur drei Minuten vom Tatort entfernt. Als sie am Samstag in Richtung Supermarkt eilt, sieht sie noch, wie der Täter von der Polizei festgenommen wird.
Heute weiß sie, dass er ein glühender Rassist ist. Ein 18 Jahre alter Weißer, der mit seinem Angriff auf den Tops-Supermarkt in der vornehmlich von Schwarzen bewohnten East Side in Buffalo im Bundesstaat New York möglichst viele Schwarze töten wollte. Der mehr als dreihundert Kilometer nach Buffalo gefahren war, um genau in ihrem Stadtviertel zu morden. Ihre Kinder, vier, acht und 16 Jahre alt, hat Erika in den vergangenen Tagen nicht in die Schule geschickt. Zu groß ist ihre Angst vor Nachahmern. Einmal am Tag geht sie zu dem Gedenkort vor dem Supermarkt, wo zehn hölzerne Friedenstauben an die Opfer erinnern. Roberta Drury, 32, Margus Morrison, 52, Andre Mackneil, 53, Aaron Salter, 55, Geraldine Talley, 62, Celestine Chaney, 65, Heyward Patterson, 67, Katherine Massey, 72, Pearl Young, 77, Ruth Whitfield, 86 Jahre alt. Jeder aus der East Side, der in diesen Tagen unterwegs ist, kennt eine oder einen der Getöteten. Die Straßen sind voll, die Menschen wollen reden über das, was passiert ist.
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