Brittany Higgins : Australischer MeToo-Fall endet abrupt
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Brittany Higgins (Mitte) vor dem Gericht in Canberra im Oktober 2022 Bild: AFP
Die einstige Regierungsmitarbeiterin Brittany Higgins soll in einem Parlamentsbüro vergewaltigt worden sein. Das Verfahren wird nun aber eingestellt – auf Wunsch des Staatsanwalts.
In Australien hat das aufsehenerregende Vergewaltigungsverfahren gegen einen ehemaligen Regierungsmitarbeiter ein jähes Ende gefunden. Der Staatsanwaltschaft zufolge könnte das mutmaßliche Opfer durch den Prozess traumatisiert werden. „Ich habe jüngst überzeugende Beweise von zwei unabhängigen medizinischen Experten bekommen, dass das anhaltende Trauma im Zusammenhang mit dieser Klage ein signifikantes und inakzeptables Risiko für das Leben der Klägerin darstellt“, sagte Shane Drumgold von der Staatsanwaltschaft in Canberra am Freitag, wie der Fernsehsender ABC berichtete.
Das Risiko bestehe auch nicht nur, wenn die Klägerin Brittany Higgins vor Gericht aussagen müsste. Insbesondere in einem Fall sexueller Nötigung müsse das Wohl der Klägerin Priorität haben. Er habe die Entscheidung getroffen, dass es nicht im Interesse der Öffentlichkeit sei, die Klage weiterzuverfolgen, auch wenn es Grund zu der Annahme gebe, dass der Angeklagte verurteilt werden würde.
Aufmerksamkeit löst „ein Ausmaß an persönlichen Attacken“ aus
Der Angeklagte Bruce Lehrmann weist die Schuld von sich. Higgins hingegen behauptet, im Jahr 2019 im Regierungsbüro der Senatorin und späteren Verteidigungsministerin Linda Reynolds im Parlament von Canberra von ihrem höhergestellten Kollegen Lehrmann vergewaltigt worden zu sein. Zunächst habe sie den Vorfall für sich behalten und erst im Zuge einer Welle von Anschuldigungen von sexuellem Missbrauch im Zuge der MeToo-Kampagne ihrem damaligen Vorgesetzten darüber berichtet. Ihr zufolge war sie danach unter Druck gesetzt worden, die Anschuldigungen nicht öffentlich zu machen.
Der Fall zog im Zusammenhang mit anderen Enthüllungen und Vorwürfen sexuellen Fehlverhaltens insbesondere im politischen Canberra eine Welle der Empörung nach sich. Landesweit protestierten Tausende Australier gegen sexuellen Missbrauch und Belästigung. Im Namen der Abgeordneten bat der damalige Ministerpräsident Scott Morrison die Opfer im Parlament um Entschuldigung, darunter auch namentlich Higgins selbst. Ihm zufolge hatte sich in Canberra eine „Kultur“ entwickelt, unter der Belästigung und Mobbing normalisiert worden seien. Einer damaligen Untersuchung nach haben 63 Prozent aller Parlamentarierinnen und 40 Prozent aller Parlamentsmitarbeiterinnen schon einmal sexuelle Belästigung erlebt. Dem Staatsanwalt zufolge habe Higgins infolge der immensen Aufmerksamkeit „einem Ausmaß an persönlichen Attacken“ gegenübergestanden, die er in 20 Jahren in diesem Beruf noch nicht erlebt habe. Higgins habe diese aber mit „Mut, Anmut und Würde“ ertragen.