Britische Außenpolitik : London will Geduld zeigen und mächtig bleiben
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Der britische Außenminister James Cleverly bei einer Pressekonferenz in London am Montag. Bild: AFP
Der neue britische Außenminister James Cleverly hat seine erste Grundsatzrede gehalten. Großbritannien müsse auf die Veränderung der globalen Machtgewichte mit einer langfristigen Strategie antworten.
Leicht war es nicht für Außenminister James Cleverly, Aufmerksamkeit für seine erste Grundsatzrede zu finden. Viele Briten mussten sich am Montag einem seltenen Naturelement – Schnee – entgegenstemmen, und dann war es auch noch der letzte Tag für Besorgungen, bevor die große Streikwelle über das Land hereinbrechen soll. So angespannt wirkte die Lage auf der Insel, dass die internationale Instabilität weit entfernt schien.
Diese nahm Cleverly zum Ausgangspunkt, um neue Strategien zu formulieren. Unter dem Stichwort „geduldige Diplomatie“ entwarf er ein Konzept, das die Schwerpunktsetzungen britischer Außenpolitik verändern soll. Er bezeichnete die Beziehungen zu klassischen Verbündeten wie Deutschland, Frankreich und Amerika, eingebettet in NATO und G 7, als „größte Kraftquelle“ Britanniens. Sie müssten sogar ausgebaut werden, etwa durch eine Erweiterung des UN-Sicherheitsrats mit Deutschland, Brasilien, Indien, Japan – „zusammen mit einer ständigen Vertretung Afrikas“.
Gleichwohl dürfe man sich nicht auf der „Kuscheldecke“ ausruhen. Die Verschiebungen in der Weltwirtschaft – und damit der politischen Machtverhältnisse – zulasten des Westens würden dazu zwingen, sich stärker in Staaten zu engagieren, deren internationale Rolle mittelfristig an Bedeutung zunehmen werde. Als Beispiele nannte er Brasilien, Kenia, Südafrika und Indonesien.
London will „strategische Ausdauer“ zeigen
Schon am Freitag, auf der 72. Königswinterkonferenz in London, war von der britischen Seite bemerkt worden, dass insbesondere China seine Außenpolitik bis ins nächste Jahrhundert hinein konzipiere, während der Westen seine oft nur auf die nächsten Wahlen ausrichte. In Zukunft werde auch das Vereinigte Königreich „strategische Ausdauer zeigen“, versprach Cleverly am Montag. Es gelte, „von unseren Wettbewerbern zu lernen und immer 10, 15, 20 Jahre vorauszudenken“. In der Vergangenheit sei man „vielleicht zu transaktional und zu ungeduldig“ gewesen, sagte er. Jetzt müsse man „den Willen haben, Beziehungen für die kommenden Jahrzehnte aufzubauen“.
Implizit erkannte Cleverly damit an, dass die britische Außenpolitik in den vergangenen Jahren von Kurswechseln geprägt war. Die EU wurde von einer politischen Heimat zu einem Handelsblock, mit dem es seit dem Brexit Streit gibt. Russland, das über Oligarchen in der britischen Wirtschaft aktiv war, wandelte sich vom Partner zur Bedrohung. Und die „goldene Ära“ mit China, die Premierminister David Cameron 2015 ausgerufen hatte, wurde unlängst von seinem Nachfolger Rishi Sunak für „vorbei“ erklärt.
Die „Veränderung der globalen Machtgewichte“ werde von Großbritannien nicht mit Bedauern registriert, versicherte Cleverly. Sie sei möglich geworden, weil Milliarden Menschen im Süden und Osten dem Hunger entkamen, was viel mit westlichem Wirken zu tun habe. Doch nun hänge „der künftige Einfluss Großbritanniens davon ab, dass es einen viel breiteren Kreis von Ländern überzeugt und für sich gewinnt“, sagte Cleverly und nannte Staaten im Commonwealth, in der südostasiatischen ASEAN und der Afrikanischen Union. Würde London diese neuen Allianzen nicht schmieden, könne man „darauf wetten, dass es andere versuchen und die Lücke schließen werden“, sagte er.
Laut Clerverly, kommentierte die BBC am Montag, genüge es nicht, Putins Russland in der Ukraine zu besiegen – vielmehr müssten neue Verbündete überzeugt werden, dass die regelbasierte Ordnung auch in ihrem Interesse liege. Dabei wolle sich London fortan auf Länder konzentrieren, die staatliche Souveränität, territoriale Integrität und internationale Regeln großschreiben – aber nicht unbedingt Demokratie und Menschenrechte. Schon am Wochenende hatte Cleverly über das Beispiel Saudi-Arabien gesprochen. Trotz „sehr, sehr tiefer Differenzen“, die man weiterhin ansprechen werde, sei die Regierung in Riad wirtschaftlich, kulturell und religiös einflussreich in der Region und deshalb ein „unglaublich wichtiger“ Partner.