Brexit-Verhandlungen : EU zeigt May die kalte Schulter
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Die EU verlangt von Theresa May präzise Aussagen und schickt sie mit unverbindlichen Zusagen nach London zurück. Bild: AP
Die britische Regierungschefin verärgert ihre EU-Kollegen mit unklaren Aussagen. Diese fordern nun Präzisierungen und schicken May mit unverbindlichen Zusagen nach Hause. Juncker will die EU verstärkt auf einen Brexit ohne Abkommen vorbereiten.
Die EU will sich im Poker um die Ratifizierung des Brexit-Abkommens in Großbritannien nicht erpressen lassen. Der EU-Gipfel machte Premierministerin Theresa May am Donnerstag zwar eine Reihe von Zusicherungen, diese blieben aber rechtlich unverbindlich. EU-Vertreter berichteten von wachsendem Unverständnis über das Brexit-Chaos in Großbritannien und unklare Vorstellungen Mays. Die EU will sich deshalb nun verstärkt auf einen Austritt ohne Abkommen vorbereiten.
May steht seit Monaten innenpolitisch massiv unter Druck und hatte eine Abstimmung über den Brexit-Vertrag im britischen Unterhaus wegen fehlender Mehrheiten verschieben müssen. May forderte zum Gipfelauftakt „rechtliche und politische Zusicherungen“ mit Blick auf die im Austrittsvertrag festgelegte Auffanglösung für Nordirland. Diese würde in Kraft treten, wenn sich die EU und Großbritannien in den kommenden Jahren nicht auf eine bessere Lösung einigen. Das Vereinigte Königreich bliebe dann bis auf weiteres in einer Zollunion mit der EU.
Brexit-Hardliner in Mays konservativer Partei befürchten, dass das Vereinigte Königreich so auf Dauer an die EU gebunden bliebe. Sie fordern deshalb ein Enddatum für den sogenannten Backstop zu Nordirland. Dies lehnt die EU aber kategorisch ab.
Fünf-Punkte-Erklärung der EU
May bat ihre EU-Kollegen am Abend eindringlich um Unterstützung. In ihrem Land habe sich der Eindruck verbreitet, die Nordirland-Klausel in dem Austrittsvertrag sei eine „Falle, aus der das Vereinigte Königreich nicht mehr herauskommt“, sagte sie nach Angaben ihres Büros. Mit den „richtigen Zusicherungen“ von Seiten der EU könne das ausgehandelte Brexit-Abkommen im Unterhaus doch noch verabschiedet werden.
Die restlichen 27 Staats- und Regierungschefs versicherten Großbritannien daraufhin in einer Fünf-Punkte-Erklärung, dass nach dem Austritt am 29. März 2019 so schnell wie möglich an einem Handelsvertrag gearbeitet werde. Dieser solle 2021 greifen. Sollte dieser nicht rechtzeitig in der Übergangszeit fertig werden, würde die Garantie – der sogenannte Backstop – für Irland nur „vorübergehend“ und „so lange wie unbedingt erforderlich“ greifen, bis ein Abkommen feststehe, dass die Auffanglösung für die irische Grenze überflüssig mache. Das bereits fertig verhandelte Austrittsabkommen werde aber nicht noch einmal aufgeschnürt.
All dies sind jedoch unverbindliche Absichtserklärungen – offenbar auch, weil May selbst nicht zu klaren Forderungen in der Lage war. Luxemburgs Regierungschef Xavier Bettel warnte die britische Premierministerin davor, die Geduld der EU-Partner durch eine Hinhaltetaktik überzustrapazieren. „Wir werden nicht Gipfel auf Gipfel auf Gipfel machen“, sagte er. „Wir müssen jetzt wissen, was London will.“ Auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker forderte die britische Regierung auf, in den kommenden Wochen zu klären, was genau sie von Brüssel erwarte. „Ich brauche Klarstellungen“, sagte er. Die Diskussion sei „mitunter nebulös und unpräzise“. Es gehe nicht an, dass Großbritannien erwarte, dass die EU „die Lösungen liefert“.
Schlechte Stimmung
Die Stimmung sei „sehr schlecht“ gewesen, hieß es aus EU-Kreisen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) unterbrach May demnach während ihres Vortrags mehrfach und forderte sie zur Präzisierung ihrer Haltung auf. Auf offene Ablehnung bei Merkel stieß Mays Vorschlag, statt eines Enddatums für den Backstop einen konkreten Termin für den Abschluss eines angestrebten Freihandelsabkommens festzulegen, das die Nordirland-Frage lösen könnte. Nach Angaben aus EU-Kreisen nannte die Premierministerin als Termin Dezember 2021.
Ob es das Freihandelsabkommen gebe, hänge „immer von zwei Seiten ab“, sagte Merkel. „Da können wir keinen anderen Termin nennen.“ Und die Auffanglösung sei „ja gerade die Rückversicherung“, die greifen würde, falls es in der vorgegebenen Zeit nicht zu einer Einigung komme. Juncker kündigte an, dass die EU nun ihre Vorbereitungen für einen britischen EU-Austritt ohne Abkommen intensivieren werde. In der kommenden Woche werde die Kommission einen Leitfaden für einen solchen harten Brexit vorlegen.