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Präsidentenwahl in Brasilien : Eine knappe Entscheidung gegen Bolsonaro

Lula da Silva feiert seinen Sieg gegen Amtsinhaber Jair Bolsonaro. Bild: EPA

In einer äußerst knappen Wahl schafft es der frühere Präsident Lula da Silva zurück an die Macht. Er hat sich vorgenommen, das entzweite Land zusammenzuführen – eine enorme Herausforderung, wie er selbst sagte.

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          Um 18:44 Uhr kannte der Jubel an der Avenida Paulista in São Paulo keine Grenzen mehr. „Virou!“ – „es hat gedreht!“ – schrien die Leute, die zu Tausenden in die Innenstadt der Großmetropole gekommen waren, um die Auszählung der Stichwahl zwischen Präsident Jair Bolsonaro und dem linken Herausforderer und früheren Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva zu verfolgen. Die ersten Böller wurden gezündet. Es war der Moment, als Lula da Silva erstmals in Führung ging. Zwei Drittel der Stimmen waren ausgezählt. Eine knappe Stunde später gab es keine Zweifel mehr. Lula da Silva hatte die Wahl mit 50,9 Prozent der gültigen Stimmen gewonnen. Am Ende trennten die beiden lediglich etwas mehr als zwei Millionen Stimmen.

          Tjerk Brühwiller
          Korrespondent für Lateinamerika mit Sitz in São Paulo.

          Das sei weder sein Sieg, noch der Sieg seiner Partei. „Das ist der Sieg eines großen demokratischen Projektes, das über den Parteien und Ideologien steht“, sagte der Politiker und einstige Gewerkschaftsführer, der vor wenigen Tagen seinen 77. Geburtstag feierte. In der Tat ist es Lula da Silva gelungen, ein breites politisches Bündnis gegen Bolsonaro aufzubauen, das bis weit in die politische Mitte reichte. Zahlreiche Persönlichkeiten, die noch nie für Lula da Silvas Arbeiterpartei gewählt haben, stehen an seiner Seite. Sinnbild ist der künftige Vizepräsident Geraldo Alckmin, der Lula da Silva einst als Gegner in der Stichwahl gegenüberstand.

          Bolsonaro schweigt

          Vor allem aber profitierte Lula da Silva von einer starken Ablehnung gegen Bolsonaro, der sich wegen seines Verhaltens während der Pandemie, seines angriffigen Charakters und vor allem wegen seiner wiederholten Drohungen gegen die demokratischen Institutionen des Landes bei vielen Brasilianern unbeliebt gemacht hat. Bolsonaro hatte während seiner Amtszeit auch systematisch das Vertrauen in die Institutionen untergraben und immer wieder die Wahlbehörden und das Wahlsystem kritisiert. Vor der Wahl hatte der Präsident angekündigt, eine Wahl Lula da Silvas nicht zu akzeptieren. Laut Umfragen gilt das auch für fast zwei Drittel seiner Wähler. Vertraute des Präsidenten gehen davon aus, dass er das Resultat nicht öffentlich anzweifeln wird.

          Am Wahlabend meldete sich Bolsonaro nicht zu Wort. Er soll keine Minister empfangen und sich bereits kurz nach 22 Uhr schlafen gelegt haben. Auch von seinen Anhängern kam fast keine Reaktion. Die meisten fanden sich mit dem Resultat und ihrer Enttäuschung ab. In den Bolsonaro-Hochburgen im Süden und Westen Brasiliens wurde von einzelnen Straßensperren frustrierter Anhänger des Präsidenten berichtet. So protestierten in mehreren Bundesstaaten Lkw-Fahrer gegen Lulas Wahlsieg, berichtete die Zeitung „Folha de S. Paulo“ unter Berufung auf die Polizei. Auf Videos in den sozialen Netzwerken waren brennende Reifen zu sehen. Bolsonaro-Anhänger mit Brasilien-Flaggen riefen demnach dazu auf, die Autobahnen des Landes zu blockieren, einige forderten einen Eingriff des Militärs.

          Vereinzelt kam es auch zu kleineren Zwischenfällen zwischen Anhängern der beiden Lager. In Belo Horizonte wurde ein 27 Jahre alter Mann nach Medienberichten erschossen, vier weitere Personen seien verletzt worden, berichteten örtliche Medien unter Berufung auf die Militärpolizei. Das Todesopfer habe in einem Lokal den Wahlsieg Lulas gefeiert. Dort hätten Anhänger beider Seiten die Stimmenauszählung verfolgt. Offen blieb zunächst, ob die Tat einen politischen Hintergrund hat. Der alkoholisierte Schütze sei festgenommen worden.

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