Besuch in Schottland : Hat Boris Johnson Nicola Sturgeon brüskiert?
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Boris Johnson am Donnerstag bei einer Schifffahrt vor der Küste Schottlands Bild: AFP
Der britische Premierminister besucht überraschend Schottland. Mit Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon möchte er dabei nicht reden.
Boris Johnson hat der schottischen Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon bei einem zweitägigen Besuch in Schottland eine Rolle bei der November in Glasgow stattfindenden UN-Klimakonferenz (Cop26) zugestanden. Vor knapp zwei Jahren hatte der britische Premierminister beim Parteitag der Konservativen noch verkündet, nichts gegen vereinzelte schottische Fahnen zu haben, doch wolle er den Union Jack sehen und Sturgeon nirgendwo in der Nähe haben. Nun hob Johnson hervor, dass die Klimakonferenz ein „riesiges Unterfangen“ für das gesamte Vereinigte Königreich sei, an dem alle Teile des Landes jetzt zusammenwirkten.
Der Tonwechsel kam, nachdem Johnson vorgeworfen wurde, Nicola Sturgeon brüskiert zu haben, indem er ihre Einladung zu einem persönlichen Gespräch anlässlich seines Besuches ausschlug. Als sie zu Beginn der Woche von Johnsons Schottland-Reise erfuhr, hatte die Ministerpräsidentin ein Treffen in Bute House, ihrem Amtssitz in Edinburgh, vorgeschlagen, um „die gegenwärtige Covid-Lage und unsere jeweiligen Erholungspläne“ zu besprechen.
Johnson verwies in seiner Antwort auf die bei der letzten Begegnung mit ihr getroffene Vereinbarung, diese konstruktiven Gespräche in einem Forum gemeinsam mit den Ministerpräsidenten der anderen Regionalregierungen fortzusetzen, um konkrete Ergebnisse im Interesse der Bevölkerung des gesamten Vereinigten Königreiches zu liefern.
Furcht, den Premier zu verärgern
Johnson bestritt, Sturgeon eine Abfuhr erteilt zu haben. Er sei „immer, immer, immer hoch erfreut sie zu sehen“. Nicola Sturgeon sprach von einer verpassten Gelegenheit. Sie behauptete, sich nicht brüskiert zu fühlen, meinte jedoch, dass die meisten Menschen es in Hinblick auf die Pandemie wohl „etwas seltsam“ fänden, dass der britische Premierminister sie nicht zu einem direkten Gespräch treffen wolle.
Der Chefin der schottischen Nationalpartei mag eine Wiederholung von Johnsons letzten Besuch in Bute House ebenso vorgeschwebt haben, wie dieser sie zu meiden suchte. Im Juli 2019 war er kurz nach seiner Ernennung zum Premierminister bei seinem Antrittsbesuch in Edinburgh an der Schwelle von Sturgeons Amtssitz ausgebuht worden. Er verließ das Gebäude durch die Hintertür.
Seitdem heißt es immer wieder der als Inbegriff des Englischen empfundene Johnson wirke wie Gift auf schottische Wähler und fördere geradezu deren Unabhängigkeitsbegehren. Er blieb dem Land denn auch während des Wahlkampfes für das schottische Parlament fern. Sein Besuch in dieser Woche war der erste seit Ende Januar. Die schottische Polizei soll auf die ursprüngliche Tarnbezeichnung „Operation Bunter“ für die Sicherheitsvorkehrungen für seinen Aufenthalt verzichtet haben, weil sie fürchtete den Premierminister zu verärgern mit der Anspielung an den übergewichtigen Privatschüler Billy Bunter aus einer Serie von Geschichten, die zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts jahrzehntelang in einer Zeitschrift für Jungs lief.
„Nicht der richtige Zeitpunkt“
Im Mittelpunkt von Johnsons Reise, die vor dem Hintergrund sinkender Zustimmung in den jüngsten Meinungsumfragen stattfand, standen die Vorbereitungen für die Klimakonferenz. Bei einem Besuch des Hauptquartiers der schottischen Polizei ließ sich der Premierminister über die Sicherheitsvorkehrungen für Cop26 informieren. Am Donnerstag unternahm er eine Schifffahrt zu einer noch im Bau befindlichen Windenergieanlage vor der nördlichen Ostküste.
Gleichzeitig hielt sich auch Oppositionsführer Keir Starmer in Schottland auf. Starmer ging ebenfalls auf Distanz zu Nicola Sturgeon, indem er bekräftigte keine Koalition mit der schottischen Nationalpartei (SNP) eingehen zu wollen. Die Regierung Johnson setzt darauf, dass der Zuspruch für die schottische Unabhängigkeit seit Januar um sechs Punkte auf 48 Prozent gesunken ist. Während die schottische Regierung sich im September mit neuem Nachdruck für ein im Wahlprogramm versprochenes zweites Unabhängigskeitsreferendum vor Ende 2023 einsetzen will, versucht Downing Street das Ansinnen auf die lange Bank zu schieben, in der Hoffnung, dass die Unterstützung für den Alleingang weiter zurückgeht.
Michael Gove, der im Kabinett Johnson mit der Strategie für den Zusammenhalt der Union befasst ist, sagte dieser Tage, die britische Regierung werde einem zweiten Referendum unter den richtigen Umständen nicht im Weg stehen, wenn dies der „beständige Wille“ der Schotten sei. Doch sei jetzt, wo die Erholung von der Pandemie Vorrang habe, nicht der richtige Zeitpunkt.