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Auftritt vor U-Ausschuss : Boris Johnsons Wahrheit

Der frühere britische Premierminister Boris Johnson bestreitet bei seiner Anhörung am Mittwoch, das Parlament belogen zu haben. Bild: AFP

Der frühere britische Premierminister rechtfertigt sich vor einem Ausschuss des Unterhauses für Aussagen über eine Party im Corona-Lockdown. Die Vorsitzende des Gremiums macht ihm eine harte Ansage.

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          Ein Besprechungszimmer im Neubautrakt des Unterhauses ist der Schauplatz von Boris Johnsons heikelstem Auftritt. Es ist sicher kleiner als der Kabinettssaal in seinem Regierungssitz Downing Street No. 10, in dem sich eine jener Lockdown-Partys zugetragen haben soll, derentwegen er nun diesen Raum aufsuchen muss. Hier muss Johnson Auskunft darüber geben, ob seine Versicherungen, dass alle Corona-Regeln eingehalten worden seien, eine bewusste Irreführung des Parlaments waren oder nicht.

          Johannes Leithäuser
          Politischer Korrespondent für das Vereinigte Königreich und Irland.

          Die Vorsitzende des siebenköpfigen Untersuchungsausschusses, der über Verstöße gegen parlamentarische Privilegien wacht, stellt gleich am Anfang klar, dass es in diesem Verfahren nicht um die übliche politische Konfrontation zwischen Regierungspartei und Opposition geht. Sondern darum, ob ein Regierungsmitglied die gemeinsame Würde des Parlaments verletzt habe. Harriet Harman ist die dienstälteste Abgeordnete im Unterhaus, dem sie seit 1982 angehört. Von 2007 bis 2015 war sie stellvertretende Vorsitzende der Labour-Partei, der sie zwei Mal kommissarisch vorstand.

          Harman macht dem Zeugen Johnson klar, dass er nicht darauf vertrauen könne, dass die Mehrheit der vier konservativen Abgeordneten ihn milder befragen werde als die drei Labour-Abgeordneten. „Wir lassen unsere Partei-Interessen an der Tür dieses Besprechungsraumes zurück“, beteuert Harman und bemüht sich so, eine gemeinsame Haltung gegenüber dem Zeugen zu erzeugen. Schließlich gehe es darum, herauszufinden, ob er das gesamte Parlament willentlich belogen habe.

          Ein Ort, an dem ihm kein Wohlwollen entgegenschlägt

          Johnson hätte aus der Reserviertheit der Vorsitzenden Harman schon ablesen können, dass ihm an diesem Ort kein Wohlwollen entgegenschlüge. Er unternimmt trotzdem einen Test, bevor er seine einleitende Stellungnahme abgibt: In wenigen Minuten werde die Befragung für eine Plenar-Abstimmung unterbrochen werden müssen, sagt Johnson, ob er das abwarten dürfe, bevor er mit seinem Vortrag beginne. „Wir sind ein arbeitendes Parlament“, entgegnet Harman ohne Lächeln, „fangen Sie nur gleich an“.

          Der Sekretär des Ausschusses bringt dem Zeugen Johnson die Bibel und dieser schwört, „die Wahrheit zu sagen, so wahr mir Gott helfe“. Anschließend werden Aufnahmen gezeigt: Videoclips von Johnsons Auftritten im Unterhaus im Dezember 2021, in denen er beteuert, alle Regeln und Empfehlungen zu Covid-Einschränkungen seien in der Regierungszentrale stets befolgt worden, und die Fotos von den Abschiedspartys für Angestellte, die den Hausherrn im Kreis von einem halben Dutzend Mitarbeitern zeigen.

          Dass die Fotos den Beweis liefern, die Corona-Abstandsregeln seien nicht eingehalten worden, will Johnson nicht gelten lassen. Der Dank an Mitarbeiter habe die Arbeitsmoral in diesen schweren, arbeitsamen Zeiten aufrechterhalten, und er sei meist bei diesen Gelegenheiten „nur kurz vorbeigekommen“ um „ein paar Worte zu sagen“. Es war notwendig „das Schiff stabil zu halten“, sagt Johnson, „das war das, was ich als meine Aufgabe ansah“.

          Nach einer Weile drehen sich Fragen und Antworten im Kreis. „Ich akzeptiere das Faktum, dass die Regeln zum Distanz-Halten nicht vollständig erfüllt wurden“, sagt Johnson und erläutert zum wiederholten Male, dass in jenen hektischen Zeiten alle Anstrengung dem Handhaben der Pandemie gegolten habe. Es bleibt der Eindruck, dass jene, die in Downing Street No. 10 die Regeln und Beschränkungen zur Eindämmung der Pandemie entwickelten, nicht immer den Schluss zogen, dass sie auch an ihrem Arbeitsplatz gelten.

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