Demonstrationen und Blockaden : Heftige Proteste gegen Justizreform in Israel
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Tag des Stillstands: Polizisten versuchen in Tel Aviv, Demonstranten von einer blockierten Straße zu drängen. Bild: Omer Messinger
Die Knesset verabschiedet einen ersten Teil der Justizreform, mit dem es nur noch schwer möglich sein wird, Ministerpräsident Netanjahu für amtsunfähig zu erklären. Bei Protesten werden Dutzende festgenommen.
In Israel haben am Donnerstag abermals Tausende Menschen im ganzen Land gegen die geplante Justizreform der ultrarechten Regierungskoalition protestiert. An zahlreichen Orten blockierten Demonstranten wichtige Straßen und Zufahrtswege. In Tel Aviv setzte die Polizei Wasserwerfer ein. Bis in den Abend hinein kamen in vielen Städten immer wieder Gruppen zu kleineren Kundgebungen zusammen.
Die Veranstalter der Proteste hatten das Ziel ausgegeben, das gesamte Land zum Stillstand zu bringen. In Jerusalem zogen Gegner der Justizreform auch in ultraorthodoxe Viertel. Mehrere ultraorthodoxe Parteien sind Teil der Koalition von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und tragen die Pläne für die Justizreform mit.
Am Abend zogen Demonstranten durch Bnei Brak, einen vornehmlich von Ultraorthodoxen bewohnten Vorort von Tel Aviv. Die Polizei hatte zuvor Provokationen von Gegnern der Proteste befürchtet und die Sicherheitsvorkehrungen erhöht. Videos zeigen, wie offenbar von Anwohnern abgeschossene Feuerwerkskörper zwischen den Demonstranten explodierten.
Israelische Medien berichteten zudem, dass ein ultraorthodox aussehender Mann einen Demonstranten geschlagen habe. Auch an anderen Orten gab es Übergriffe: So sollen in Tel Aviv Motorradfahrer Tränengas auf Demonstranten gesprüht haben, die dort eine zentrale Verbindungsstraße blockierten. Insgesamt nahm die Polizei landesweit 100 Personen fest.
Am frühen Morgen hatte die Knesset nach einer nächtlichen Debatte einen ersten Teil des Gesetzespakets verabschiedet. Durch die neue Regelung wird es in Zukunft deutlich schwerer, einen Ministerpräsidenten für amtsunfähig zu erklären. Für das Gesetz, das als Zusatzartikel dem „Grundgesetz“ über die Regierungsarbeit angefügt wird, stimmten in letzter Lesung 61 der 120 Abgeordneten, 47 Abgeordnete waren dagegen. Künftig gibt es dadurch nur noch zwei Wege, den Regierungschef für amtsunfähig zu erklären: Entweder stimmen drei Viertel des Kabinetts für einen solchen Antrag, oder der Ministerpräsident verfügt selbst, dass er sein Amt nicht mehr ausüben kann.
Opposition nennt Gesetz „unanständig und korrupt“
Als mögliche Gründe werden in dem Gesetz nur psychische oder andere gesundheitliche Probleme genannt. Durch die neue Regelung ist kein Raum mehr für die bisher geübte Praxis, dass das Höchste Gericht oder der Generalstaatsanwalt Regierungsmitglieder für amtsunfähig erklären können. Die Opposition nannte das neue Gesetz „unanständig und korrupt“ – in Anspielung auf den Korruptionsprozess, der seit mehreren Jahren gegen Netanjahu läuft und von dem sich dessen Gegner erhofft hatten, dass der Ministerpräsident nach einer Verurteilung für amtsunfähig erklärt werden könnte.
Die Gegner der Justizreform werfen der Regierung vor, mit ihren Gesetzesvorhaben die Unabhängigkeit der Justiz beschneiden zu wollen und damit die Demokratie auszuhöhlen. Unter anderem würde die Regierungsmehrheit nach den Plänen die Kontrolle über die Ernennung der obersten Richter bekommen. Zudem soll die Möglichkeit geschaffen werden, dass das Parlament Entscheidungen des Höchsten Gerichts überstimmt. Die Proteste gegen das Vorhaben dauern in Israel nun schon seit elf Wochen an.
Am Abend teilte Netanjahus Likud-Partei mit, dass der Ministerpräsident Verteidigungsminister Joaw Gallant einbestellt habe. Israelischen Medienberichten zufolge will Gallant Netanjahu auffordern, die Justizreform zu stoppen. Netanjahu rief anschließend in einer Fernsehansprache zu Einheit und Versöhnung auf, lehnte aber einen Stopp des Projekts ab. „Der beste Weg, um eine ausgewogene Reform zu erreichen und eine Spaltung der Nation zu verhindern, sind Beratungen, um einen möglichst breiten Konsens zu finden“, sagte er in einer Ansprache an die Nation. Er bemühe sich um eine Lösung und habe „ein offenes Ohr für die Sorgen der anderen Seite“. Doch die Reformpläne sollten wie geplant weiterlaufen.