Tödliche Schüsse in Kenosha : Nur ein naiver Teenager?
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Der angeklagte Kyle Rittenhouse am Montag vor Gericht Bild: AP
Im Prozess gegen Kyle Rittenhouse müssen die Geschworenen entscheiden, ob der damals 17 Jahre alte Weiße bei den Black-Lives-Matter-Protesten in Kenosha mit Absicht um sich schoss.
Wenn er schuldig gesprochen wird, muss Kyle Rittenhouse vielleicht lebenslang ins Gefängnis. Käme er jedoch frei, fürchten manche Beobachter gewaltsame Proteste. In Kenosha geht dieser Tage der Prozess gegen den heute 18 Jahre alten Mann zu Ende. Er hatte bei den antirassistischen Demonstrationen im August vergangenen Jahres zwei ebenfalls weiße Männer erschossen und einen verwundet.
Fünf Stunden lang präsentierten Anklage und Verteidigung am Montag ihre Plädoyers – nun beginnen die Geschworenen mit ihren Beratungen. Seine Anwälte porträtierten Rittenhouse als übereifrigen Teenager, der nur habe helfen wollen und zwischen die Fronten der gewaltsamen Ausschreitungen geraten sei.Die Anklage wiederum wollte zeigen, dass er schon mit der Absicht, Gewalt auszuüben, in die 100.000-Einwohner-Stadt in Wisconsin gekommen sei. Rittenhouse selbst sagte aus, er habe aus Notwehr gehandelt.
Die Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei in Kenosha waren eskaliert, nachdem ein Beamter den 29 Jahre alten Afroamerikaner Jacob Blake bei einem Verhaftungsversuch durch mehrere Schüsse in den Rücken lebensgefährlich verletzt hatte. Rittenhouse war über die Bundesstaatsgrenze aus Illinois nach Wisconsin gekommen und hatte ein halbautomatisches AR-15-Gewehr mitgebracht. Er schloss sich einer Gruppe von Männern an, die sich zum Teil als Milizen bezeichneten und angaben, Geschäfte vor Plünderern „schützen“ zu wollen.
Rittenhouses Täterschaft unbestritten
Dass Rittenhouse auf Jacob Rosenbaum, Anthony Huber und Gaige Grosskreutz schoss, war stets unbestritten, weil Zeugen Videos aufnahmen, die bald im Internet kursierten. Rosenbaum war der erste Mann, auf den der Teenager schoss – er hatte Rittenhouse verfolgt und eine Plastiktasche nach ihm geworfen, nachdem andere Zeugen den Jugendlichen als bedrohlich wahrgenommen und jemand „Waffe, Waffe!“ gerufen hatte.
Der Angeklagte und seine Verteidiger argumentieren, dass Rittenhouse sein Leben bedroht gesehen habe. Staatsanwalt Thomas Binger sagte dagegen am Montag, dies sei unzutreffend – der Angeklagte habe durch sein Verhalten die Situation provoziert. Indem er eine halbautomatische Waffe auf Menschen richtete, habe er den Eindruck erzeugt, es handelte sich um eine „active shooter“-Situation. Umstehende hätten also zu dem Schluss kommen können, Rittenhouse sei ein Attentäter – deshalb hätten einige versucht, ihn zu entwaffnen.
„Wenn Sie die Gefahr erzeugen, verwirken Sie das Recht, sich selbst zu verteidigen, indem Sie diese Waffe mitbringen, auf Menschen zielen, das Leben von Menschen bedrohen“, sagte Binger. Mark Richards, Anwalt von Rittenhouse, verwies auf die Erste-Hilfe-Utensilien, die dieser auch bei sich getragen hatte, und sagte: „Kyle war ein 17 Jahre alter Jugendlicher, der da draußen versuchte, dieser Community zu helfen.“
Aus kurzer Entfernung erschossen
Rittenhouse ist unter anderem wegen absichtlicher Tötung ersten Grades und unabsichtlicher, fahrlässiger Tötung angeklagt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, den Tod von Rosenbaum, der ihm hinterherrannte, in Kauf genommen zu haben. Ein Zeuge sagte zudem aus, dass Rosenbaum versucht habe, dem Teenager die Waffe abzunehmen.
Den Tod von Huber wiederum wertet die Anklage als „intentional homicide“, als absichtliche Tötung. Als Rittenhouse fliehen wollte, nachdem er Rosenbaum erschossen hatte, fiel er zu Boden. Huber versuchte, ihm die Waffe abzunehmen und ihn mit seinem Skateboard zu schlagen. Dass Rittenhouse das Gewehr auf den Mann richtete und ihn aus kurzer Entfernung erschoss, spreche für eine absichtliche Tötung, so der Staatsanwalt. Falls er in diesem Anklagepunkt für schuldig befunden wird, droht ihm eine lebenslange Freiheitsstrafe.