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Demokratiegipfel : Bidens Kampf für die eigenen Ideale

  • -Aktualisiert am

US-Präsident Joe Biden während des Demokratiegipfels am 9. Dezember 2021. Bild: Reuters

In seiner ersten außenpolitischen Rede hatte Amerikas Präsident Joe Biden angekündigt, die Vereinigten Staaten wieder zur Führungsmacht im Kampf für die Demokratie machen. Nun hat er einen ersten Schritt dazu unternommen.

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          Für Olaf Scholz war es einer der ersten Termine als Bundeskanzler – für den amerikanischen Präsidenten die Einlösung eines politischen Versprechens. Joe Biden hatte Vertreter aus über hundert Ländern zum virtuellen „Gipfel für Demokratie“ geladen. Als er das Treffen am Donnerstag eröffnete, saß der Präsident vor großen Videoleinwänden mit den zugeschalteten Regierungsvertretern, vor ihm ein Coffee-to-go-Becher. Für den Gipfel hatte man ein eigenes Logo entworfen, einen stilisierten Globus in zurückhaltenden Farben, der neben Biden projiziert war. Er hielt eine zehnminütige Rede, die live auf der Website des Außenministeriums zu sehen war. Anschließend kündigte Hausherr Antony Blinken an, dass nun der nichtöffentliche Teil des Gipfels beginne. Später wurde noch ein virtuelles Podium zum Thema „Demokratische Widerstandskraft stärken“ in dem Live­stream übertragen.

          Biden hatte in seiner ersten außenpolitischen Rede Anfang des Jahres angekündigt, er wolle die Vereinigten Staaten wieder zur Führungsmacht im Kampf für die Demokratie machen. Der Gipfel fand zum ersten Mal statt. Regierungsvertreter aus 110 Staaten waren eingeladen, aber auch Aktivisten, Unternehmer und andere Vertreter der Zivilgesellschaft nahmen teil. In einem Jahr sollen die Länder bei einem zweiten Treffen über Fortschritte berichten. Schwerpunkte seien die Stärkung demokratischer Rechte und Institutionen, die Bekämpfung von Korruption und die Durchsetzung der Menschenrechte. Der Kongress sei aufgefordert, rund 424 Millionen Dollar für entsprechende internationale Initiativen zu bewilligen, hieß es vor dem Gipfel aus dem Weißen Haus.

          Die entscheidende Herausforderung der Gegenwart

          Der Kampf für die Demokratie sei die entscheidende Herausforderung der Gegenwart, sagte Biden. In vielen Ländern gebe es die Gefahr eines zunehmenden Autoritarismus, den man gemeinsam entschieden zurückweisen müsse. „Wir stehen meiner Meinung nach an einem Scheidepunkt“, sagte Biden. „Werden wir den Rückschritt der Rechte und der Demokratie zulassen?“ Die Staaten müssten gemeinsam für Rechtsstaatlichkeit, Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit, Redefreiheit und die Menschenrechte kämpfen. Die amerikanische Demokratie selbst sei ein „andauernder Kampf“, bei dem es darum gehe, „unseren eigenen hohen Idealen gerecht zu werden und unsere Zerwürfnisse zu heilen“, so Biden. Er zitierte den verstorbenen Bürgerrechtler und Abgeordneten John Lewis mit den Worten: „Demokratie ist kein Zustand, sondern eine Handlung.“

          Im Vorfeld hatte es Kritik an der Gästeliste gegeben. Staaten wie Russland, China, Ungarn und die Türkei waren nicht eingeladen. Andere Länder, die autoritär regiert werden oder entsprechende Tendenzen aufweisen, konnten teilnehmen, wie etwa die Philippinen oder die Demokratische Republik Kongo. Dass Taiwan eingeladen war, veranlasste China zu dem Vorwurf, der Gipfel diene nur geopolitischen Interessen. Der russische Botschafter Anatolij Antonow und sein chinesischer Amtskollege Qin Gang hielten den Amerikanern in einem gemeinsamen Kommentar im Magazin „The National Interest“ eine „Kalte-Kriegs-Mentalität“ vor. Pakistan sagte kurz vor dem Gipfel ab. Dass Serbien, Kroatien und das Kosovo teilnehmen konnten, nicht aber Bosnien-Hercegovina, löste dort Irritationen aus. Eine Einladung zu der Veranstaltung komme keinem „Gütesiegel“ gleich, und nicht eingeladen zu sein bedeute nicht das Gegenteil, versicherte Bidens Sprecherin Jen Psaki.

          Laut dem Weißen Haus sollten die teilnehmenden Staaten ermutigt werden, konkrete Zusagen zur Stärkung der heimischen Demokratie zu machen. Einer Studie der Organisation „Freedom House“ zufolge leben nur zwanzig Prozent der Weltbevölkerung in zureichend demokratischen und freien Systemen. Von allen am Demokratiegipfel teilnehmenden Ländern werden 29 dagegen als „teilweise frei“ oder „nicht frei“ beschrieben. Darunter sind etwa Kenia, Indonesien und Angola. Die Organisation Human Rights Watch forderte, Länder, die ihren eigenen Zusagen dann nicht nachkämen, von dem Treffen im nächsten Jahr auszuladen. Bislang ist das aber nicht geplant.

          Das internationale Ansehen der amerikanischen Demokratie selbst ist zurzeit eher schlecht – und die Führungsrolle, die Biden für seine Regierung beanspruchte, wird vielerorts skeptisch gesehen. Kürzlich fand etwa das Pew Research Center heraus, dass nur 17 Prozent der weltweit Befragten die Vereinigten Staaten für ein gutes Vorbild für Demokratie halten. Dort verabschiedeten 19 Bundesstaaten in letzter Zeit 33 Gesetze, die das Wählen schwieriger machen. Und politische Initiativen, Wählerbehinderung zu unterbinden, scheiterten bislang an den knappen Mehrheiten im Kongress.

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