Wahlrechtsreform in Amerika : Für Biden geht es um die Rettung der Demokratie
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Präsident Joe Biden während seiner Rede in Atlanta am Dienstag Bild: AP
Joe Biden fordert nun doch eine Änderung der Regeln im Senat, um die Wahlrechtsreform durchzubringen. Die Demokratie sei bedroht. Bidens Regierung braucht auch einen politischen Erfolg.
Es gehe um die Rettung der amerikanischen Demokratie, um die Alternative „Totalitarismus oder Demokratie“, und um den Sieg gegen diejenigen, die auf der falschen Seite der Geschichte stünden – ja, um „Licht oder Schatten“. Joe Biden wollte in Atlanta keinen Zweifel daran lassen, dass er die Demokratie für bedroht hält. Der Präsident hielt am Dienstag vor Studenten, Politikern und Bürgerrechtlern eine teils emotionale Rede, die den Auftakt zu einem neuen Vorstoß in Sachen Wahlrechtsreform markieren sollte.
Biden sprach am University Center, dem größten und ältesten Zusammenschluss mehrerer historisch schwarzer Hochschulen. In Georgia macht die republikanische Regierung immer wieder Schlagzeilen mit Wahlbehinderungs-Aktionen wie dem Streichen Tausender Wähler aus den Verzeichnissen. Und hier wählte man kurz vor dem Martin Luther King Day am 17. Januar ein Zentrum der Bürgerrechtsbewegung, um Bidens neue Strategie zu verkünden.
Biden sieht totalitäre Tendenzen
Die Zeit des Zögerns soll vorbei sein: Nun ist auch der Präsident dafür, die Regeln im Senat zu ändern, um die Blockade bei der Wahlrechtsreform zu brechen. „Der Senat der Vereinigten Staaten, der geschaffen wurde um die großartigste parlamentarische Institution der Welt zu sein, ist zu einer Hülle seiner selbst geworden“, beklagte Biden. „Ich glaube, dass die Bedrohung unserer Demokratie so gravierend ist, dass wir einen Weg finden müssen, diese Wahlrechtsgesetze zu verabschieden.“ Wenn der Senat nicht in der Lage sei, über die Vorlagen zumindest zu beraten, habe man keine andere Möglichkeit, als die Regeln zu ändern, so der Präsident – „und das schließt ein, dass wir den Filibuster hierfür loswerden“.
Den Republikanern warf er totalitäre Tendenzen vor, als er die mehrheitlich schwarzen Zuhörer warnte: „Die Fakten werden nicht zählen, eure Stimmen werden nicht zählen. Sie werden einfach entscheiden, was sie wollen, und das dann tun. Das ist die Art von Machtausübung, die man in totalitären Staaten sieht, nicht in Demokratien.“ An die Senatoren gerichtet fragte Biden, wie diese erinnert werden wollten. Als Alternativen nannte er Bürgerrechtler und Verfechter des institutionellen Rassismus in den Südstaaten, als er fragte: „Wollen Sie auf der Seite von Dr. King oder von George Wallace stehen, an der Seite von John Lewis oder von Bull Connor? Wollen Sie auf der Seite von Abraham Lincoln oder Jefferson Davis stehen?“
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JETZT F+ LESENBiden hatte in der Frage der konkreten politischen Umsetzung lange gezögert. Doch nun unterstützt er die Forderung vieler Demokraten und Bürgerrechtler, die Filibuster-Regeln für die Verabschiedung von Wahlrechtsgesetzen zu umgehen. Mit dem Filibuster, formell einem Verfahren der Dauerrede, kann die Opposition Gesetzesvorhaben blockieren, die nicht 60 Stimmen erreichen. Die Demokraten könnten die Regelung aber theoretisch mit ihrer Mehrheit ändern oder aussetzen. Schon in der kommenden Woche will Chuck Schumer, Mehrheitsführer im Senat, nun ein Paket mit Regeländerungen in die Kammer einbringen.
Mehrere Demokraten, die sich 2017 noch in einem Brief für die Beibehaltung des Filibuster ausgesprochen hatten, erklärten, dass die Situation sich geändert habe, weil die republikanischen Angriffe auf das Wahlrecht immer heftiger würden. Zu den Senatoren, die ihre Meinung änderten, gehört auch Angus King aus Maine, der als Parteiloser mit den Demokraten stimmt. Die Abstimmung über die Wahlrechtsreform könne die wichtigste seines Lebens werden, sagte er der „Washington Post“. Biden betonte in Atlanta, dass er in vielen Gesprächen mit Kongressmitgliedern für die beiden Gesetzesvorlagen geworben habe. Seine Geduld sei nun allerdings am Ende. „Ich hatte diese leisen Gespräche mit Kongressmitgliedern jetzt zwei Monate lang. Ich habe es satt, leise zu sein“, sagte Biden und schlug mit der Handfläche auf sein Pult.