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Ampel ändert Kurs : Berlin schickt Kiew 500 Stinger-Raketen und weitere Waffen

Bundeskanzler Olaf Scholz am Samstag kurz vor dem Besuch des polnischen Premierministers. Bild: AFP

Jetzt bekommt die Ukraine doch Panzerabwehrwaffen aus Beständen der Bundeswehr. Plötzlich sagt Kanzler Scholz, das sei „unsere Pflicht“. Auch bei SWIFT dreht Berlin bei.

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          Auf Dringen der Ukraine und vieler NATO-Partner gibt die Bundesregierung ihre Weigerung auf, der Ukraine Waffen zu liefern. Aus den Beständen der Bundeswehr soll Kiew 1000 Panzerabwehrwaffen sowie 500 Boden-Luft-Raketen vom Typ „Stinger“ erhalten. Die Waffen würden „so schnell wie möglich an die Ukraine geliefert“, heißt es in einer Erklärung der Bundesregierung vom Samstagabend.

          Konrad Schuller
          Politischer Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin.
          Peter Carstens
          Politischer Korrespondent in Berlin

          Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) teilte mit: „Der russische Überfall auf die Ukraine markiert eine Zeitenwende. Er bedroht unsere gesamte Nachkriegsordnung. In dieser Situation ist es unsere Pflicht, die Ukraine nach Kräften zu unterstützen bei der Verteidigung gegen die Invasionsarmee von Wladimir Putin. Deutschland steht eng an der Seite der Ukraine.“

          Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zeigte sich erfreut über die angekündigte Lieferung deutscher Waffen. „Deutschland hat gerade die Lieferung von Panzerabwehr-Granatwerfern und Stinger-Raketen an die Ukraine angekündigt. Weiter so, Kanzler Olaf Scholz“, schrieb Selenskyj am Samstagabend auf Twitter. „Die Anti-Kriegs-Koalition handelt!“

          Wie die F.A.Z. erfuhr, hatte Berlin zuvor am Samstag bereits anderen Ländern die Genehmigung erteilt, ursprünglich aus Deutschland stammende Waffen in die Ukraine zu liefern. So wurde die Lieferung von 400 Panzerfäusten aus deutscher Produktion durch die Niederlande genehmigt.

          „Brauchen eine gezielte und funktionale Einschränkung von SWIFT“

          Überdies erhielt Estland von Berlin die seit langem beantragte Genehmigung, der Ukraine Haubitzen zu liefern, die noch aus Beständen der Nationalen Volksarmee der DDR stammen. Die Bundesrepublik hatte die Haubitzen in den neunziger Jahren zunächst nach Finnland verkauft. Schon im Januar hatte die Bundesregierung bestätigt, dass eine Anfrage aus Estland vorliege, die geprüft werde.

          Ebenfalls wurde am Samstag die Ausfuhr von 14 sondergeschützten gepanzerten Fahrzeugen für die Ukraine genehmigt. Die Fahrzeuge dienen dem Personenschutz, gegebenenfalls auch zu Evakuierungszwecken. Sie sollen an ukrainische Dienststellen übergeben werden. Zudem sollen nach F.A.Z.-Informationen bis zu 10.000 Tonnen Treibstoff über Polen in die Ukraine geliefert werden.

          Das Vorgehen war am Samstag zwischen dem Bundeskanzleramt, dem Auswärtigen Amt dem Wirtschaftsministerium und dem Verteidigungsministerium abgestimmt worden.

          Noch bei der Sicherheitskonferenz in München vor einer Woche hatten Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock  (Grüne) die Haltung der Bundesregierung als wohl durchdachten Teil einer angeblichen Arbeitsteilung im Bündnis dargestellt. Allerdings war zu erfahren, dass zumindest im Verteidigungsministerium Ministerin Christine Lambrecht (SPD) versucht habe, die Blockadehaltung von Kanzleramt und Auswärtigem Amt gegen die Unterstützung der Ukraine zu durchbrechen. Hinter vorgehaltener Hand hatte es dort stets geheißen, es sei im Falle eines Krieges sinnlos, einen ohnehin aussichtslosen Kampf mit Waffenlieferungen zu verlängern. Diese Haltung hatte vor Scholz auch schon Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) viele Jahre lang eingenommen.

          Schon bevor Bundeskanzler Scholz seine Erklärung abgab, hatten Baerbock und Vizekanzler Robert Habeck (beide Grüne) den Kurswechsel der Bundesregierung erläutert: „Nach dem schamlosen Angriff Russlands muss sich die Ukraine verteidigen können. Sie hat ein unabdingbares Recht auf Selbstverteidigung.“ 

          Noch am Samstagmorgen hatte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, argumentiert, Waffenlieferungen kämen wegen der Materialknappheit der Bundeswehr nicht in Frage. Man dürfe die Bundeswehr nicht „bloßziehen“ sonst könne die Armee nicht ihren eigenen Aufgaben, wie die der Landesverteidigung, nachkommen, so die FDP-Politikerin im Deutschlandfunk. Die Union, vor allem der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Johann Wadephul (CDU),  hatte seit Tagen immer nachdrücklicher die Bundesregierung aufgefordert, ihre Haltung zu korrigieren. 

          Baerbock und Habeck teilten überdies mit, dass Berlin seinen Widerstand gegen einen Ausschluss Russlands vom Finanzdienst SWIFT überdenke, ohne den die meisten internationalen Finanzgeschäfte kaum möglich sind. Sie äußerten: „Gleichzeitig arbeiten wir mit Hochdruck daran, wie die Kollateralschäden einer Abkopplung von SWIFT so eingegrenzt werden können, dass sie die Richtigen trifft. Was wir brauchen, ist eine gezielte und funktionale Einschränkung von SWIFT.“ Die Erklärung des Bundeskanzlers enthielt vorerst keine Angaben zu einem neuen Kurs bei SWIFT. Am späten Samstagabend wurde der Ausschluss russischer Banken aus SWIFT dann von den USA, Frankreich, Kanada, Italien, Großbritannien, der EU-Kommission und Deutschland beschlossen.

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