Beerdigung von Kardinal Pell : Kontrovers über den Tod hinaus
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Die Polizei musst am Donnerstag Protestler und den Trauerzug für den verstorbenen Kardinal George Pell trennen Bild: EPA
Die einen sehen in Kardinal George Pell einen „Giganten der katholischen Kirche“. Für die anderen war er ein konservativer Kulturkämpfer. Die beiden Sichtweisen trafen nun bei der Trauerfeier in Sydney aufeinander.
Die beiden verfeindeten Gruppen trennt nur eine schmale Pufferzone, die präventiv vor der Marienkathedrale in Sydney gezogen worden war. Auf der einen Seite drängen sich die Demonstranten aus der Regenbogen-Gemeinde mit ihren Flaggen, bunten Kleidern und Spruchbändern hinter einem Metallgitter. Ihnen gegenüber stehen einige in Trauerschwarz gekleidete Männer, die Rosenkränze hochhalten, als wollten sie hier und jetzt irgendwem den Teufel austreiben. In der Mitte stecken die Polizisten, von denen die meisten zu Fuß, aber auch einige zu Pferde darum bemüht sind, die beiden laut gegeneinander wetternden Gruppen auseinanderzuhalten.
Die direkte Konfrontation im Schatten der Kathedrale, in der gleichzeitig die Totenmesse für den vor drei Wochen in Rom gestorbenen australischen Kurienkardinal George Pell stattfindet, dauert nur wenige Minuten, bis die Demonstranten ihren Protestzug weiter die Straße hinauf fortsetzen.
An dem hitzigen Zusammentreffen lässt sich erkennen, wie gespalten Australien über das Erbe des vor drei Wochen verstorbenen ehemaligen Finanzchefs des Vatikans auch über seinen Tod hinaus noch ist. Pell hatte im Alter von 81 Jahren nach einer Hüftgelenksoperation einen Herzstillstand erlitten. In seiner Würdigung Pells bezeichnet der Erzbischof von Sydney, Anthony Fischer, Pell während der Totenmesse in Sydney als „Giganten der katholischen Kirche in Australien“, der von seinen Kritikern „dämonisiert“ worden sei. Der ehemalige Ministerpräsident Tony Abbott nennt Pell sogar „einen Heiligen“, der zum Sündenbock für die gesamte katholische Kirche gemacht worden sei.
„Er wollte es nur unter den Teppich kehren“
Die Demonstranten dagegen sehen in ihm den „homophoben“ Kulturkämpfer, Klimaschutz- und Abtreibungsgegner, der den sexuellen Missbrauch durch katholische Priester gedeckt habe. „Dieser Mann stand in jeder denkbaren Frage auf der falschen Seite der Geschichte“, sagte Eddie Stephenson, eine der Organisatorinnen, zu Beginn ihres Protestmarschs der LGBTQ-Gemeinde.
Obwohl es sich bei Pell um eine der umstrittensten Figuren der katholischen Kirche handelt, sind an diesem sonnigen Sommervormittag Hunderte Gläubige zur Kathedrale gekommen, um „ihren“ Kardinal zu verabschieden. Auf dem Vorplatz der Kirche stehen sie Schlange, um noch einige der für die Öffentlichkeit reservierten Plätze in der Kathedrale zu ergattern. „Er war so ein guter Mann. Was auch immer die Kontroverse um ihn war, es ging nur um Aufmerksamkeit, einige anti-katholische Leute wollten ihn zerstören“, sagt Eillen Cosgrove aus Sydney. Jakov Miljak nennt Pell einen „australischen Helden“, der es in der Kirchenhierarchie weiter geschafft hatte als jeder andere seiner Landsleute, und deshalb gerade auch für die Kirche in Australien viel getan habe. Jedoch gebe es Leute, die Pell einfach schuldig sehen wollten, sagt Miljak. „Sie wollten ihn zum Gesicht des sexuellen Missbrauchs von Kindern machen, das er nicht war“, sagt der 31 Jahre alte Anwalt.
Der Katholik spricht damit die Missbrauchsvorwürfe gegen Pell an, für die er im Dezember 2018 von einem Geschworenengericht verurteilt worden war. Ihm war vorgeworfen worden, in den neunziger Jahren in der Kathedrale von Melbourne, wo er damals gerade zum Erzbischof ernannt worden war, zwei Chorknaben sexuell missbraucht zu haben. Nach 404 Tagen im Gefängnis hatte der oberste Gerichtshof Australiens das Urteil aufgehoben und Pell freigesprochen. Dabei gibt es noch eine Reihe weitere Personen, die schwere Anschuldigungen gegen Pell erheben. Diese Fälle hatten es aber nie bis vor einen Richter geschafft. Darüber hinaus wird dem Kardinal vor allem vorgeworfen, er habe über Jahre von Missbrauchsvorwürfen gegen Priester und andere Glaubensbrüder gewusst, aber nichts für den Schutz der Opfer getan. Er habe dabei geholfen, dass auffällig gewordene Priester einfach in andere Gemeinden weitergeschickt worden waren. Details dazu sind in dem Bericht der australischen Untersuchungskommission zu sexuellem Missbrauch nachzulesen.