Zwei Jahre nach den Unruhen : Barrikaden und Brandsätze – Chile erlebt unruhigen Jahrestag
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Demonstranten mit Feuerlöschern vor Flammen auf den Straßen von Santiago de Chile – zum zweiten Jahrestag der Proteste gegen die Ungleichheit im Land Bild: AFP
Zwei Jahre nach den großen Unruhen gehen in Chile abermals Demonstranten auf die Straße – einige randalieren. Die Gewalt leitet einen Herbst ein, der für das Land wegweisend ist. Denn bald wird ein neuer Präsident gewählt.
Der zweite Jahrestag der Massenproteste gegen die Ungleichheit in Chile ist von Gewalt überschattet worden. Am Montag kam es in verschiedenen Städten abermals zu Demonstrationen, vor allem in der Hauptstadt. Dort demonstrierten nach Angaben der Behörden 10.000 Bürger, 5000 Polizisten waren im Einsatz. In Santiago de Chile legten Demonstranten Brandsätze, errichteten Barrikaden und warfen Steine und Feuerwerkskörper auf Polizisten. Die Polizei setzte Wasserwerfer ein. Mindestens 30 Demonstranten wurden festgenommen und fünf Polizisten verletzt, wie die Regierung angab.
Die Gewalt leitet damit einen Herbst ein, der für das Land wegweisend sein wird. Am 21. November wählt Chile einen Nachfolger des in der Bevölkerung unbeliebten konservativen Präsidenten Sebastián Piñera.
Die Kandidaten für die anstehende Präsidentenwahl verurteilten die Gewalt zu Beginn der Woche. Der rechtsnationale José Antonio Kast, der gute Chancen auf einen Einzug in die Stichwahl hat, wählte scharfe Worte. Einmal mehr habe die Gewalt über den Frieden obsiegt, Millionen Chilenen müssten unter einem Vandalismus leiden, der das Land zerstören wolle. Die Regierung habe die öffentliche Ordnung nicht wahren können, linke Politiker würden die Gewalt verharmlosen. „Chile erlebt seit zwei Jahren einen Albtraum“, sagte er.
Aktueller Präsident tritt nicht wieder an
Die Kritik an den gewalttätigen Demonstranten kam aber nicht nur aus dem rechten Lager. Auch der frühere linke Studentenführer Gabriel Boric, ebenfalls aussichtsreicher Kandidat, verurteilte das Verhalten einiger Demonstranten. „Die Gewalt und die Zerstörung des Gemeinguts ist nicht unser Weg und wird nicht unser Weg sein, sie dient nur denjenigen, die wollen, dass alles gleich bleibt.“
Vor zwei Jahren waren Tausende Chilenen gegen die konservative Regierung auf die Straße gegangen, 30 Demonstranten kamen ums Leben, die Polizei wurde für ihren gewalttätigen Einsatz kritisiert. Zuvor hatte das Land als die Schweiz Südamerikas gegolten, als stabiler Anker in Südamerika, einer Region, in der es immer wieder zu Unruhen kommt. Die Proteste hatten damals begonnen, nachdem der Preis für die Metro leicht erhöht worden war. Schnell zeigte sich, dass der Unmut bei vielen tiefer saß.
Die Proteste hatten ein Verfassungsreferendum zur Folge. Die alte Verfassung stammt noch aus der Zeit der Militärdiktatur unter Augusto Pinochet (1973-90). Kritiker sehen in ihr einen Grund für die Ungleichheit im Land. Vor einem Jahr votierten dann drei Viertel der Wähler für die Ausarbeitung einer neuen Verfassung. Die verfassunggebende Versammlung nahm just am Montag, dem zweiten Jahrestag der Unruhen, ihre Arbeit auf.
Bei der anstehenden Präsidentenwahl darf der aktuelle Präsident Piñera nicht wieder antreten, zwei Amtszeiten in Folge erlaubt die aktuelle Verfassung nicht. Piñera ist seit 2018 Präsident Chiles und war dies zuvor bereits einmal von 2010 bis 2014. Vor und nach seiner ersten Amtszeit war die Mitte-links-Politikerin Michelle Bachelet, die heute Hohe Kommissarin für Menschenrechte der Vereinten Nationen ist, Präsidentin des südamerikanischen Landes. Gehofft wird, dass die Wahl im November, vor allem aber eine neue Verfassung das Land wieder befrieden.