+++ Bagdad Briefing +++ : Freies Geleit für Kobanes Kurden?
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Auf der Flucht: Kurdische Flüchtlinge aus Kobane auf dem Weg ins türkische Suruc Bild: AFP
Die Debatte über eine mögliche Pufferzone in Nordsyrien hilft den in Kobane eingeschlossenen Zivilisten nicht weiter. Hilfsorganisationen dringen darauf, den Flüchtlingen freies Geleit über türkisches Territorium zu gewähren. Die IS-Miliz bringt weitere Stadtteile unter ihre Kontrolle.
Im frühen Morgengrauen kamen die Soldaten. Mit angezogenen Maschinengewehren seien sie in Krankenhäuser der türkischen Stadt Suruc und anderer Gemeinden entlang der syrischen Grenze eingerückt, um Verwundete abzutransportieren, berichteten syrisch-kurdische Ärzte am Freitagmorgen. Auch im türkisch-kurdischen Diyarbakir, wo es seit Tagen zu Protesten kommt, hat die türkische Polizei in der vergangenen Nacht Dutzende Wohnungen gestürmt und Menschen festgenommen, die sich an den Demonstrationen gegen die Regierung in Ankara beteiligt haben.
Angesichts der anhaltenden Angriffe des „Islamischen Staats“ auf das seit Wochen belagerte Kobane wird die humanitäre Situation in der Kurdenstadt immer bedrohlicher. Die Ko-Vorsitzende der Partei der Demokratischen Einheit (PYD), Asya Abdullah, forderte deshalb am Freitag abermals einen „Hilfskorridor“, um den Menschen die Flucht aus dem Kampfgebiet zu ermöglichen. Anders als die von der Regierung Ministerpräsident Ahmet Davutoglus ins Gespräch gebrachte Pufferzone würde das der Bevölkerung der Stadt erlauben, sich weiter selbst gegen die Dschihadisten zu verteidigen.
Abdullah beklagte, dass dieser Forderung von der amerikanisch-arabischen Allianz jedoch wenig Gehör geschenkt werde. Rücksicht auf den Nato-Partner Türkei dürfte der Grund dafür sein: Seit Beginn der Militarisierung des Syrien-Konflikts 2012 hat Ankara auf islamistische Gruppen gesetzt, um einen Sturz Machthaber Baschar al Assads zu erreichen. Das von den der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) nahestehenden syrisch-kurdischen Organisationen angestrebte laizistisch-sozialistische Gesellschaftsmodell steht diesen diametral entgegen.
„Wirkungsvolle Angriffe notwendig“
Auch am Freitag setzten die Einheiten des „Islamischen Staats“ ihre Angriffe fort, berichten der PKK nahestehende kurdische Quellen. Aus ihrer syrischen Hauptstadt Raqqa, aus Monbij und der bereits in ihrer Hand befindlichen Grenzgemeinde Jarabalus würde ständig Nachschub an die Front rund um Kobane gebracht. „Wirkungsvolle Angriffe, die diesen Nachschub zum Erliegen bringen, sind notwendig“, forderte die PYD-Kovorsitzende Abdullah. „Solange dieser Nachschub nicht aufgespürt und vernichtet wird, werden die heftigen Angriffe nicht abnehmen.“
Die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete am Mittag, laut Aktivisten hätten die Dschihadisten mehrere Gebäude der Sicherheitskräfte, das Hauptquartier der lokalen kurdischen Verwaltung sowie das Gefängnis nahe des Zentrums der Ortschaft erobert. Nach diese Angaben hätte die IS-Miliz etwa 40 Prozent Kobanes unter ihrer Kontrolle.
Zugleich dringen Hilfsorganisationen darauf, einen humanitären Korridor zu etablieren, um den bedrängten Zivilisten die Möglichkeit zur Flucht zu geben. Da das Gebiet zwischen Kobane und dem nächsten, rund achtzig Kilometer östlich gelegenen syrisch-kurdischen Kanton, unter Kontrolle des „Islamischen Staats“ liegt, müsste zunächst die Türkei ihnen Einlass gewähren – und dann freies Geleit bis nach Qamischli bieten, das ganz im Nordosten Syriens, im Dreiländereck mit der Türkei und dem Irak liegt.
Der irakisch-kurdische Präsident Massud Barzani hat bereits zugesichert, Flüchtlinge aus Kobane aufzunehmen. Nun liegt es an der Türkei, sie dorthin passieren zu lassen.