Baerbock über Migration : „Sterben im Mittelmeer ist Europas offene Wunde“
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Außenministerin Annalena Baerbock (rechts) und Innenministerin Nancy Faeser bei einem Besuch in Japan am Flughafen von Tokio Bild: dpa
Die deutsche Außenministerin fordert eine europäische Seenotrettung und kritisiert die Unstimmigkeiten der Europäer in der Migrationspolitik. Auch bei Rüstungsexporten plädiert Baerbock für eine gemeinsame Linie.
Außenministerin Annalena Baerbock hat die anhaltenden Unstimmigkeiten der EU-Staaten in der Migrationspolitik beklagt. „Das Sterben im Mittelmeer ist Europas offene Wunde, weil wir es nicht geschafft haben, zu einer gemeinsamen Migrations- und Flüchtlingspolitik zu kommen“, sagte die Grünen-Politikerin der „Welt“ (Montag). „So schwer es ist, müssen und werden wir weiter hart an einer gemeinsamen Position arbeiten. Wir dürfen die Staaten an der Außengrenze nicht allein lassen, weder mit den Menschen, die aus Seenot gerettet wurden, noch mit den Menschen, die an den Außengrenzen ankommen, aber keinen Anspruch auf Asyl haben und zurückgeführt werden müssen.“
Baerbock war gefragt worden, ob die EU wieder eine Seenotrettungsmission brauche, um zu verhindern, dass Dutzende Menschen im Mittelmeer ertrinken – wie kürzlich vor der italienischen Küste. Dazu sagte Baerbock: „Wir brauchen gemeinsame Verantwortung und müssen die Solidarität stärken. Darum ist es aus meiner Sicht so wichtig, dass es eine europäische Seenotrettung gibt.“
Im Koalitionsvertrag hatten die Grünen, SPD und FDP festgelegt, eine staatlich koordinierte und europäisch getragene Seenotrettung im Mittelmeer anzustreben. Sie sprachen sich für eine „faire Verantwortungsteilung zwischen den Anrainerstaaten des Mittelmeers bei der Seenotrettung“ aus und dafür, dass Menschen nach der Rettung an sichere Orte gebracht werden.
Die EU-Staaten streiten seit Jahren über ihre Migrationspolitik. Im Kern geht es um die Frage, ob und wie Schutzsuchende in der EU verteilt werden. Weil es kein Vorankommen gibt, haben die Länder sich zuletzt vor allem auf besseren Grenzschutz und die Zusammenarbeit mit Drittstaaten konzentriert. Seit Jahren sind zivile Organisationen – auch aus Deutschland – im zentralen Mittelmeer im Einsatz, um mit ihren Schiffen Migranten und Geflüchtete aufzunehmen.
Baerbock fordert stärkere Kooperation bei Rüstungspolitik
Außerdem forderte Baerbock eine gemeinsame Linie zu Rüstungsexporten. Der russische Angriffskrieg habe gezeigt, dass Munition und Ausrüstung zwischen den europäischen Ländern nicht automatisch miteinander kompatibel seien, sagte Baerbock der „Welt“ (Montag). „Deswegen erarbeiten wir jetzt mit unseren Partnern eine Strategie, wie wir auch im Rüstungsbereich industriepolitisch stärker kooperieren können. Das bedeutet auch, dass wir eine gemeinsame Linie für Exporte brauchen.“ Bisher gebe es „sehr unterschiedliche nationale Haltungen“ dazu, was gerade bei Gemeinschaftsprojekten eine Herausforderung sei.
Entscheidungen über Rüstungsexporte müssten im Einklang mit der Außenpolitik stehen, forderte Baerbock. „Wenn wir Bombardements von Zivilbevölkerung aufs Schärfste verurteilen, können wir nicht zugleich die Munition dahin exportieren. Darum brauchen wir gemeinsame europäische Regeln, wohin exportiert wird.“ Festgelegt werden müsse dabei auch, was mit bereits erteilten Exportgenehmigungen im Fall schwerster Menschenrechtsverletzungen passiere.
Am Montag wollen die Außen- und Verteidigungsminister der europäischen Staaten in Brüssel über weitere Unterstützung für die Ukraine beraten. dabei soll es vor allem um die Lieferung dringend benötigter Munition gehen. Hintergrund sind Sorgen, dass der Ukraine in der nächsten Zeit wichtige Munitionstypen fehlen könnten. Dabei geht es insbesondere um Artilleriegeschosse.
Die EU-Kommission und der Außenbeauftragte Josep Borrell hatten deshalb kürzlich einen Plan vorgelegt, wie mögliche Lieferungen beschleunigt werden könnten. Dabei geht es zum einen um Lieferungen aus den nationalen Beständen und zum anderen um einen gemeinschaftlichen Einkauf von Artilleriemunition. Aus EU-Mitteln könnten dafür zwei Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden.