Auswanderer in Venezuela : „Maduro bekommt kein Bein mehr auf den Boden“
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Eine Frau hält die venezolanische Flagge hoch. Bild: AP
Wenn die venezolanische Regierung Glück hat, kommt sie ins Gefängnis, sagt ein deutscher Auswanderer. Im FAZ.NET-Interview zeigt er sich überzeugt, dass die Lage in Venezuela ganz schnell kippen könnte.
Herr Hoffmann, Sie sind 1994 nach Venezuela ausgewandert und leben seit 2004 ohne Heimatbesuche auf der Insel Margarita, 330 Kilometer entfernt von Caracas. Was machen Sie dort?
Ich bin in der Immobilienbranche tätig und arbeite mit Deutschen, Schweizern und Österreichern zusammen. Und im Moment, je schlimmer die Krise ist, desto günstiger sind natürlich die Immobilienpreise, sodass viele Leute jetzt hier spekulieren. Immobilien, die normalerweise 100.000 Dollar kosten, werden für 20.000 oder 25.000 Dollar gehandelt. Davon haben natürlich einige Leute Wind bekommen. Sie nutzen die Situation entsprechend aus und investieren, was ja auch legitim ist.
Wie nehmen Sie die humanitäre Krise wahr?
Man kriegt natürlich am Rande alles irgendwie mit. Die Leute, denen es hier schlecht geht, die untere Mittelschicht, also Angestellte, normale Arbeitnehmer, die bekommen umgerechnet fünf Dollar Monatslohn. Ich weiß nicht, wie die klar kommen, aber das sind schon Lebenskünstler. Durch das Embargo kommen nur wenige Waren ins Land und die Produkte werden entsprechend teurer. Ein halbes Pfund Butter kostet jetzt nicht mehr 50 Cent, sondern zwei oder drei Dollar. Das heißt, für einen normalen Monatslohn bekommt man genau ein Pfund Butter. Hier auf der Insel gehen die Leute teilweise zum Strand und bekommen dann von den Fischern Sardinen geschenkt. Ich habe eine Frau kennengelernt, die macht sich morgens zum Frühstück eine Suppe aus den Sardinen, mittags grillt sie die Sardinen und abends isst sie sie frittiert.
Welche Auswirkungen spüren Sie persönlich?
Ich habe im Moment keine Krankenversicherung, weil das wegen der hohen Inflationsraten nichts bringt. Wenn ich heute eine Versicherung mit 500 Dollar Jahresbeitrag abschließen würde, hätte ich einen Versicherungsschutz von circa 5000 bis 10.000 Dollar. Aber in einer Woche wäre das schon nichts mehr wert, und in spätestens einem Monat hätte ich so gut wie gar keinen Versicherungsschutz mehr.
Wie sicher fühlen Sie sich derzeit?
Ich fühle mich eigentlich relativ sicher. Ich würde nachts hier aber nicht spazieren gehen, das auf keinen Fall. Und tagsüber sollte man nicht mit einer teuren Uhr aus dem Haus gehen oder einen Fotoapparat oder Handy aus der Tasche ziehen, weil die Sachen dann geklaut werden könnten. Aber das kann mir in Rom oder in Frankfurt am Bahnhof genauso passieren.
Wie unterscheidet sich Ihr Leben von dem der Einheimischen?
Ich führe hier ein normales Leben und mir geht es den Umständen entsprechend ganz gut. Ich kann mich beispielsweise ärztlich behandeln lassen. Die untere Schicht der Venezolaner kann das nicht. Es gibt hier nur arm oder reich. Die Mittelschicht wurde durch die Diktatur zerstört. Und die Oberschicht ist natürlich sehr reich, denen geht es richtig gut. Die leisten sich immer noch die teuersten Autos. Ein Sechszylinder ist für die eher ein Kleinwagen. Die ganz Armen leben hingegen in Wellblechhütten. Da liegen Welten dazwischen.
Finden Sie es bedenklich, dass Sie ein vergleichbar gutes Leben führen?