Auslieferung nach Polen? : Europäischer Gerichtshof prüft Warschaus Justizsystem
- -Aktualisiert am
Anhänger der Opposition demonstrieren am 20.Juli 2017 vor dem Präsidentenpalast in Warschau gegen die Justizreform in Polen. Bild: dpa
Der Europäische Gerichtshof verhandelt über die Auslieferung eines in Irland festgenommenen Drogenschmugglers nach Polen. Wegen der Justizreform der rechtsnationalen Regierung bestehen Zweifel an der Unabhängigkeit der polnischen Gerichte.
Arbeitsteilung ist sinnvoll, aber sie hat einen Haken: Wichtige Dinge überlässt man nur dann einem anderen, wenn man darauf vertraut, dass er die Aufgabe genauso gut erfüllt. Sonst macht man es lieber selbst. Auch die europäischen Justizbehörden teilen sich die Arbeit: Wenn ein italienischer Richter die Durchsuchung einer Wohnung in Deutschland anordnet, machen sich die deutschen Beamten auf den Weg, und zwar im Prinzip ohne dass die deutsche Justiz die Entscheidung aus Italien noch mal nachprüft. Die sogenannte europäische Ermittlungsanordnung beschleunigt das Verfahren ungemein. Ähnlich verhält es sich bei der Auslieferung: Sucht Finnland einen Verdächtigen, der sich in Frankreich aufhält, überstellen die Franzosen den Mann, ohne die Stichhaltigkeit der Verdachtsmomente oder die Verhältnismäßigkeit der Haft zu prüfen.
Diese Arbeitsteilung setzt Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten voraus. Die Grundlage dafür soll der sogenannte Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts liefern, der ein ähnlich hohes Maß an Rechtsstaatlichkeit und Grundrechtsschutz im ganzen Gebiet der EU verspricht. So viel zur Theorie. In der Praxis ist es oft nicht so einfach mit dem Vertrauen. Das zeigen die Bedenken gegen die Auslieferung von Häftlingen nach Rumänien, das zeigt auch der Fall Puigdemont. Doch eine besondere Herausforderung für das Vertrauen innerhalb der EU ist die Situation der polnischen Justiz.
Der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, sagte jüngst beim Treffen der europäischen Richtervereinigungen in Berlin: „Infolge der Justizreformen in Polen steht die Justiz des Landes nun unter der politischen Kontrolle der regierenden Mehrheit.“ Erst im Februar hatte der Europäische Gerichtshof die Bedeutung der Unabhängigkeit der nationalstaatlichen Justiz hervorgehoben. Die „fehlende Unabhängigkeit der Justiz“ in Polen, so Timmermans, werfe ernste Fragen hinsichtlich der wirksamen Anwendung des EU-Rechts auf. Mit einer dieser ernsten Fragen muss sich der Europäische Gerichtshof in Luxemburg an diesem Freitag befassen.
Es geht um den polnischen Staatsbürger Artur Celmer, der beschuldigt wird, Drogen geschmuggelt zu haben. Der Mann wurde mit europäischem Haftbefehl gesucht und im Mai 2017 in Irland festgenommen. Das Justizministerium in Dublin beantragte wunschgemäß die Auslieferung, aber der irische High Court tat sich schwer damit und brachte die Sache nach Luxemburg. In dem Vorlagebeschluss aus dem März bezeichnete die irische Richterin die neuen Justizgesetze in Polen als „absichtliche, kalkulierte und provokante Demontage der Unabhängigkeit der Justiz“. Sie sieht zwar keine speziellen Gründe, warum Celmer eine unfaire Behandlung durch die polnische Justiz zu erwarten habe – doch gerade das macht die Sache brisant: Auslieferungshindernis wäre demnach die kritische Lage der polnischen Justiz als solche. Allein an irischen Gerichten sind derzeit mehr als 50 Auslieferungsanträge aus Polen anhängig. Sie könnten, wenn Luxemburg sich der Auffassung des High Court anschließt, alle nicht vollstreckt werden.
In Polen ist die Wut groß. „Irland verzögert die Bestrafung eines schwerkriminellen Drogen-Mafioso, der in ganz Europa gesucht wird“, sagte der stellvertretende Justizminister Marcin Warchol. Das irische Gericht betreibe ein „politisches Spiel“. Die Zeitung „Dziennik Narodowy“ attackierte die „irische lesbische Richterin“.