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„Marshallplan für die Ukraine“ : Ein lupenreiner Oligarch

Moskauer Parolen: Der CDU-Abgeordnete Karl-Georg Wellmann, Firtasch, Steinbrück und Frankreichs frühere Arbeitgeberpräsidentin Laurence Parisot. Bild: Sebastian Wegerbauer

Der ukrainische Milliardär Dmytro Firtasch finanziert das Engagement von Peer Steinbrück und Michael Spindelegger. Dabei steht er rhetorisch auf der Seite Moskaus. Und in Amerika wird er wegen Korruption gesucht.

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          Am 30. April soll am Wiener Landesgericht über die Auslieferung von Dmytro Firtasch entschieden werden. Die Justiz der Vereinigten Staaten sucht den ukrainischen Oligarchen, weil sie ihn im Verdacht hat, in Indien Amtsträger bestochen zu haben. Angeblich wollte er sich so Schürfrechte für Titanminen sichern. Firtasch selbst weist diesen Vorwurf bei jeder Gelegenheit zurück. Doch in Amerika verantworten will er sich deswegen nicht, er vertraue auf die österreichische Justiz, dass sie das Auslieferungsbegehren ablehne.

          Stephan Löwenstein
          Politischer Korrespondent mit Sitz in Wien.
          Konrad Schuller
          Politischer Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin.

          Bis zu der Verhandlung Ende April kann er sich in Österreich frei bewegen und betätigen, er habe nur seinen Pass abgeben müssen und müsse für das Gericht erreichbar sein, sagt eine Sprecherin des Landesgerichts. Denn Firtasch hat im vergangenen Jahr eine Kaution hinterlegt, und zwar in der für das Alpenland beispiellosen Höhe von 124 Millionen Euro.

          Ukraine : Streit um Oligarchen Dmytro Firtasch

          Keine rechtlichen Auflagen also hinderten Firtasch daran, sich in der vergangenen Woche mit einem Kreis mehr oder weniger namhafter europäischer Politiker zu umgeben und einen „Marshallplan für die Ukraine“ ins Leben zu rufen. Den festlichen Rahmen bildete das Palais Ferstel, ein Bau der Gründerzeit, der einst die Wiener Börse beherbergte. Durchaus bekannte Politiker konnte er einspannen, die in einer Art Aufsichtsrat die Projekte begleiten sollen: Peer Steinbrück, vormals Finanzminister und Kanzlerkandidat der SPD, soll Rat in Sachen Steuern und Finanzen finden, die früheren EU-Kommissare Günter Verheugen und Peter Mandelson sollen sich Gedanken über einen Beitritt der Ukraine machen, der frühere französische Außenminister Bernard Kouchner kehrt zu seinen ärztlichen Wurzeln zurück und versucht sich im Gesundheitssektor.

          Österreicher als Garant für Integrität

          Eine „Modernisierungsagentur“ soll als Vehikel dienen. Geführt wird sie von dem im vergangenen Jahr zurückgetretenen vormaligen österreichischen Minister und ÖVP-Vorsitzenden Michael Spindelegger. Er sei ein Garant für die Integrität der ganzen Veranstaltung, hat Peer Steinbrück gesagt, um Sorgen zu zerstreuen, dass die Agentur von den geldgebenden Oligarchen für ihre eigenen Zwecke ferngesteuert werde. Etwas hemdsärmliger drückte sich Firtasch über die Qualifikation Spindeleggers aus: „In Österreich war er Politiker, der von Wahlen abhängt wie ein Drogensüchtiger. Jetzt ist er Privatmann. Er braucht von den Ukrainern nicht gewählt zu werden.“

          Kritik und Bedenken gibt es dennoch. Ukrainische Abgeordnete aus dem regierungstreuen Lager unterstellten Firtasch, er wolle sich nur als unentbehrlich darstellen und so seine Auslieferung verhindern. Firtasch sagte dazu, es gebe keinen solchen Zusammenhang. In den Regierungsapparaten in Berlin und in Wien herrscht, vorsichtig gesagt, starke Skepsis gegenüber dem Vorhaben. Aufbauhilfe sollte im Einvernehmen mit der ukrainischen Regierung und in Koordination mit der EU geleistet werden, heißt es etwa.

          In Wien teilt das Außenministerium nur mit, es handle sich „um eine private Initiative, an der die Regierung nicht beteiligt ist“. Warum Außenminister Kurz als angefragter Redner im Palais Ferstel angekündigt worden war, kann man sich dort nicht erklären: Es habe nicht einmal eine förmliche Anfrage gegeben. Ähnlich der EU-Kommissar Johannes Hahn aus Österreich: „Es muss auch klar sein, wenn irgendwelche Aktivitäten da sind, woher sich die Finanzen speisen, aber das sind Dinge, die mich weniger interessieren.“

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