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Atomstreit mit Iran : Von Worten und Tatenlosigkeit

Irans Botschafter bei der der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA: Reza Najafi Bild: AFP

Bei der Atomenergiebehörde herrscht Skepsis angesichts der jüngsten versöhnlich wirkenden Signale aus Iran. Die Diplomaten verlangen von Teheran konkrete Schritte.

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          Im Atomstreit mit Iran haben westliche Diplomaten in Wien, wo in dieser Woche turnusgemäß der Gouverneursrat der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA tagt, mit Zurückhaltung auf die jüngsten Signale aus Teheran reagiert. Zwar wurde registriert, dass der neue iranische Präsident Rohani eine neue Verhandlungsmannschaft zusammengestellt hat.

          Stephan Löwenstein
          Politischer Korrespondent mit Sitz in Wien.

          Auch wird begrüßt, dass wieder konkrete Termine für Gespräche mit der IAEA und im Rahmen „Fünf plus Eins“ ins Auge gefasst worden sind. Doch wird darauf verwiesen, dass das Bekunden von gutem Willen und die Vereinbarung von Verhandlungen in der Vergangenheit nicht gleichbedeutend mit substantiellen Fortschritten gewesen seien.

          Vor zehn Jahren die erste Resolution

          Entsprechende Erfahrungen hat die Behörde bereits zehn Jahre lang sammeln können: Am 12. September 2003 fasste der Gouverneursrat die erste Resolution, in der Iran zur besseren Zusammenarbeit mit der IAEA aufgefordert wurde. Gleichwohl setzte Iran sein Nuklearprogramm bald fort, trotz inzwischen vier Resolutionen des UN-Sicherheitsrates und zunehmend verschärfter Sanktionen. Den Vorwurf - gestützt auch durch Berichte der IAEA -, dass Iran an der Entwicklung von Nuklearwaffen gearbeitet habe und weiter die Voraussetzungen dafür schaffe, wies die jeweilige Regierung in Teheran stets zurück.

          Rohani schlug diese Woche vor, während der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York über das Atomprogramm zu sprechen. Der Atomstreit könne bald beigelegt werden, wenn auch die andere Seite ernsthaft darangehe, sagte er laut Agenturberichten. Iran strebe eine „Win-Win-Lösung“ an, sagte Außenminister Mohammad Zarif dem englischsprachigen iranischen Fernsehsender Press-TV. Die Verhandlungen sollen sowohl mit der Fünf-plus-Eins-Gruppe (die ständigen Sicherheitsratsmitglieder plus Deutschland) als auch mit der IAEA geführt werden. Die IAEA-Runde soll am 27. September tagen, für das Fünf-plus-Eins-Format gibt es noch keinen Termin.

          „Einzigartiger Moment für eine diplomatische Lösung“

          IAEA-Generaldirektor Yukiya Amano sagte in Wien, angesichts der zahlreichen Hinweise auf eine mögliche militärische Nutzung des Atomprogramms sei es nötig und dringlich, dass Iran substantiell auf die Sorgen der Staatengemeinschaft eingehe. In diesem Sinne äußerte sich auch der amerikanische IAEA-Botschafter Joseph Macmanus.

          Die Vereinigten Staaten seien bereit, mit Rohanis Regierung zusammenzuarbeiten, um eine diplomatische Lösung zu finden. Jetzt sei dafür ein „einzigartiger Moment“. Allerdings verwies der amerikanische Diplomat auch auf den jüngsten IAEA-Bericht, wonach Iran im August seine Kapazitäten zur Urananreicherung um inzwischen mehr als tausend hochmoderne Zentrifugen weiter ausgebaut habe. Das sei eine „besorgniserregende Eskalation“, da diese Aktivitäten durch UN-Resolutionen verboten worden seien. Man erwarte konkrete Schritte, die sich bereits in dem nächsten regulären IAEA-Report im November niederschlagen müssten.

          Zentrifugen teils sofort einsatzbereit

          Die Anreicherung von Uran ist eine zentrale Voraussetzung zur Herstellung von Kernwaffen. Zwar stellte die Wiener Agentur zuletzt fest, dass die Gesamtmenge an schwach angereichertem Uran gegenüber dem vorherigen Bericht nicht wesentlich zugenommen habe. Doch durch die Vermehrung der Kapazitäten - die in der Anlage in Natans aufgebauten Zentrifugen sind teils vakuumverpackt und sofort einsatzbereit - wäre es den Fachleuten zufolge schnell möglich, eine kritische Menge an Material herzustellen.

          Besorgnis erregt zudem der Bau eines Schwerwasserreaktors in Arak: Nach Inbetriebnahme würde dort Plutonium entstehen, Iran hätte somit einen zweiten Weg, um an Bombenmaterial zu gelangen. Immerhin hat die IAEA hier eine Verzögerung beim Reaktorbau festgestellt.

          Ein weiterer Streitpunkt ist die militärische Liegenschaft in Parchin nahe Teheran, zu der die Inspekteure der IAEA Zutritt fordern, weil es Hinweise darauf gebe, dass dort Versuche zum Bau eines Atomwaffenzünders unternommen worden seien. Hierüber wird seit bald zwei Jahren ergebnislos verhandelt, und währenddessen wurde - wie Satellitenaufnahmen zeigen - das Gelände planiert, Erdreich abgetragen und anschließend asphaltiert. Aus diesen Gründen reagierten westliche Diplomaten in Wien eher kühl auf die neuen diplomatischen Avancen: Noch habe es keine irreversiblen Schritte in die richtige Richtung gegeben. Immerhin wurde die Erklärung von Macmanus als weniger scharf wahrgenommen als die letzten amerikanischen Stellungnahmen.

          Kompromissbreit? Hassan Rohani
          Kompromissbreit? Hassan Rohani : Bild: dpa

          Rohani, der früher selbst Atom-Chefunterhändler war, hat die Zuständigkeit für dieses Dossier innerhalb der iranischen Regierung auf das Außenministerium verlagert, in die Verantwortung von Außenminister Zarif. Wer Iran in den Fünf-plus-Eins-Gesprächen auf Ebene der politischen Direktoren vertreten soll, ist noch unklar. Chef des Atomprogramms ist der frühere Unterhändler Ali Akbar Salehi. Ausgetauscht wurde auch der iranische Botschafter bei der IAEA.

          Ein Erfolg dürfte auch davon abhängen, wie es in der Syrien-Krise weitergeht. Ein amerikanischer Militärschlag könnte nach Einschätzung einiger Diplomaten den Stillstand im Atomkonflikt mit Iran zementieren; andere Kenner der Materie halten dies nicht für zwingend. Das Thema Syrien kam jedenfalls auch im Gouverneursrat diese Woche zur Sprache: Die russischen Vertreter forderten eine Risikoeinschätzung der IAEA an, welche nuklearen Gefahren bei einem amerikanischen Bombardement von einem nahe Damaskus befindlichen Forschungsreaktor ausgehen könnten. Generaldirektor Amano zog sich vorerst auf die Zusage zurück, die Anfrage zu prüfen. Washington wandte sich gegen den russischen Vorstoß. Das übersteige das Mandat der IAEA, welche noch nie derartige Risikoeinschätzungen vorgenommen habe.

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