https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/asyl-in-oesterreich-asylbewerber-nicht-schwul-genug-15738820.html

Österreich lehnt Antrag ab : Kleidung eines Asylbewerbers nicht schwul genug

  • Aktualisiert am

Die Regenbogenfahne ist das Symbol der Homosexuellenbewegung. Bild: dpa

Ein junger Mann sucht Asyl in Österreich. Er fürchtet, wegen seiner sexuellen Orientierung in Afghanistan verfolgt zu werden. Der Beamte will ihn zurückschicken – mit einer bemerkenswerten Begründung.

          2 Min.

          Homosexuelle gehen und kleiden sich ein bisschen weiblich, sind gerne unter Leuten, bekommen Aufmerksamkeit und sind ansonsten ganz harmlos – klingt nach einer rückständigen und klischeehaften Sichtweise? In Österreich scheinen genau diese Kriterien darüber entschieden zu haben, ob ein Asylbewerber „homosexuell genug“ ist, um in seinem Heimatland Verfolgung fürchten zu müssen.

          Dem österreichischen Magazin „Falter“ liegt der vom Bundesamt für Fremdwesen und Asyl ausgestellte Ablehnungsbescheid eines 18 Jahre alten Asylbewerbers aus Afghanistan vor, in dem Begründungen zu lesen sind wie: „Weder Ihr Gang, Ihr Gehabe oder Ihre Bekleidung haben auch nur annähernd darauf hingedeutet, dass Sie homosexuell sein könnten.“

          Der Afghane war nach Österreich geflüchtet, weil er in Afghanistan aufgrund seiner Homosexualität um sein Leben fürchtete, wie er angab. Tatsächlich sind in Afghanistan homosexuelle Handlungen illegal und können mit einer Freiheitsstrafe zwischen fünf und fünfzehn Jahren geahndet werden. Hinzukommt die gesellschaftliche Ächtung – Homosexuelle werden in dem Land häufig bloßstellt und angefeindet.

          Verhalten passe nicht zu „angeblich Homosexuellem“

          Wegen der sexuellen Orientierung im Herkunftsland verfolgt zu werden, ist in Österreich ein Asylgrund. Doch dafür muss die Homosexualität des Antragstellers bewiesen werden. Der zuständige Beamte legte bei der Beurteilung des jungen Mannes besondere Maßstäbe an. In dem SOS-Kinderdorf, in dem der Afghane zum Zeitpunkt des Verfahrens lebte, sei es öfter zu Auseinandersetzungen gekommen.

          Der Beamte folgert daraus, dass ein Aggressionspotenzial vorhanden sei, „das bei einem Homosexuellen nicht zu erwarten wäre“. Auch dass der junge Mann eher ein Einzelgänger zu sein schien, sprach aus Sicht des Beamten gegen eine mögliche Homosexualität: „Sind Homosexuelle nicht eher gesellig?“, heißt es in dem Ablehnungsbescheid. Dass der Afghane lieber mit wenigen ausgewählten Personen oder alleine unterwegs sei, passe „nicht zu einem angeblich Homosexuellen“.

          Auszüge des Ablehnungsbescheides stellte die „Falter“-Autorin Nina Horaczek auf Twitter online. Nutzer sehen in den Argumenten des Amtes homophobe Vorurteile.

          Auf die Aussage des Asylbewerbers, er habe auch heterosexuelle Männer geküsst, reagierte der Beamte mit Unverständnis. Es sei „völlig undenkbar“, dass er dafür nicht „furchtbare Prügel bezogen“ habe, da sich kein Heterosexueller einfach von einem anderen Mann küssen lassen würde.

          Der Afghane gab ebenfalls an, dass er bereits im Alter von zwölf Jahren homosexuelle Gefühle verspürt habe. Auch das erschien dem für die Beurteilung des Mannes zuständigen Beamten nicht plausibel: „In einer wenig sexuellen Gesellschaft wie der afghanischen, in der es in der Öffentlichkeit keine sexuellen Reize durch Mode und Werbung gibt, ist es nicht sehr wahrscheinlich, bereits so früh ‚sexualisiert‘ zu werden.“

          Dementsprechend lautet das Ergebnis seiner Beurteilung: Der 18 Jahre alte Mann sei nicht homosexuell und habe bei der Rückkehr in seine Heimat nichts zu befürchten. Rechtskräftig ist die Ablehnung noch nicht, der junge Mann hat bereits Berufung eingelegt.

          Weitere Themen

          Wo die Gewalt beginnt

          Sachbuch über die Armutsklasse : Wo die Gewalt beginnt

          In seinem Buch über die britische Armutsklasse zeigt D Hunter Elend, Brutalität und Selbstzerstörung, ohne sie auszustellen. Er verbindet Biographie mit Theorie. Und versteht sein Schreiben auch als einen politischen Kampf.

          Topmeldungen

          Die stellvertretende brasilianische Außenministerin Maria Laura da Rocha mit Baerbock in Brasília

          Baerbock in Brasilien : Der komplizierte Freund hat anderes zu tun

          Deutschlands Außenministerin erklärt Brasilien den deutschen Ukraine-Blick. Präsident Lula und ihr brasilianischer Amtskollege haben keine Zeit für Baerbock.

          Newsletter

          Immer auf dem Laufenden Sie haben Post! Die wichtigsten Nachrichten direkt in Ihre Mailbox. Sie können bis zu 5 Newsletter gleichzeitig auswählen Es ist ein Fehler aufgetreten. Bitte versuchen Sie es erneut.
          Vielen Dank für Ihr Interesse an den F.A.Z.-Newslettern. Sie erhalten in wenigen Minuten eine E-Mail, um Ihre Newsletterbestellung zu bestätigen.