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Wahl in Indien : Die Modi-Maschine

Modi als Messias? Wahlplakat von Narendra Modi in einem Einkaufszentrum in Ahmadabad. Bild: AP

Bei der Wahl in Indien führt der Kandidat der Opposition eine aufwendige Kampagne: Mit seinen Auftritten bringt er die Bauern auf seine Seite, mit Hilfe moderner Technologie die Mittelschicht.

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          Die Bühne ist mit orangefarbenen Tüchern abgehängt. Weißgestrichene Äste davor bilden einen Zaun. Künstlicher Rasen liegt auf der einer Seite. Auf der anderen drängen sich Zehntausende. Safranfarbene Flaggen wehen über ihren Köpfen in der staubigen Luft. Die Stimme des Kandidaten ist rauh vom vielen Reden, seine Handbewegungen aber sind einladend. Er hebt den Zeigefinger, er öffnet die Arme. Er dreht sich zu seinen Zuhörern an den Seiten, er will jeden von ihnen einbinden.

          Christoph Hein
          Wirtschaftskorrespondent für Südasien/Pazifik mit Sitz in Singapur.

          Die Menschen jubeln und tanzen. Sie sehen ihren Messias, den Heilsbringer, der sie und das ganze Land aus dem Elend führen soll. Auf der Wahlkampfveranstaltung in Akbarpur im umkämpften Bundesland Uttar Pradesh setzt Narendra Modi die bekannten Mittel des Stimmenfangs ein: Sprache, Gestik und Mimik – tausendfach verstärkt durch knarzende Lautsprecher.

          Der Spitzenkandidat der hindu-nationalistischen Bharatiya Janata Party (BJP) will den Subkontinent mit seinen mehr als 600 Millionen Bauern und Landarbeitern erobern. Das ist Kärrnerarbeit. Gestern Kanyakumari in Südindien, heute Akbarpur im Norden, morgen Nagaon im Osten. Schon in den ersten Monaten seiner Kandidatur ist er mehr als 45.000 Kilometer auf und ab durch das Land gereist. Nach Umfragen liegt er weit vor der regierenden Kongresspartei. Am 16. Mai werden die Ergebnisse der Wahl in der größten Demokratie der Erde bekanntgegeben.

          Im Wahlkampf spielt er den armen Jungen

          Die Wahlkampfveranstaltungen Modis sind der Baustein seiner Kampagne, die sich um „Bharat“ bemüht, das alte, traditionelle Indien der Bauern. Doch der Favorit der Manager und Unternehmer kann auch anders: Währendder vergangenen Landeswahlen in seinem Heimatstaat Gujarat ließ er sich während einer Rede als Hologramm gleichzeitig an 53 verschiedene Orte projizieren – Modi, der moderne Magier, zum Greifen nah.

          In diesem Wahlkampf spielt er mit dem Bild des armen Jungen, der den Mächtigen im Lande über Jahre nur den Tee serviert habe. Der „Chai Wallah“, der Teejunge, veranstaltete am 13. Februar aber auch virtuelle Chai-Chats, Teegespräche, die per Internet in tausenden Teecafés in ganz Indien übertragen wurden.

          Dieser Kandidat überlässt nichts dem Zufall. Eine amerikanische Werbeagentur vergibt seine Interviewtermine. Internetfachleute positionieren ihn in den neuen Medien. Vorsichtshalber tritt er in zwei Wahlkreisen an, damit er auch ganz sicher mindestens ein Mandat erhält. Vor allem macht Modi, was vor ihm kein indischer Politiker tat: Er nutzt im dem Land, in dem rund 800 Millionen Menschen unterhalb der Armutsgrenze leben, die neuen Medien.

          Detaillierte Planung und technische Erkenntnisse

          Die BJP und ihre Nebenorganisationen schufen ein Dutzend Internetseiten, um seine Kampagne zu unterstützen. Sie heißen „NaMo“, nach seinem abgekürzten Namen, „Modi4PM“, Modi als Premierminister, oder „India272+“, nach der Zahl der Parlamentssitze, die die BJP holen will. Die Kampagnen sollen 150 Millionen Erstwähler zwischen 18 und 22 Jahren und die heranwachsende Mittelschicht ansprechen.

          „Modi ändert den Stil, wie Wahlen in Indien ausgefochten werden, mit seiner Kombination aus detaillierter Planung und der Nutzung technologischer Erkenntnisse“, sagt Aroon Purie, Chefredakteur der Zeitung „India Today“. Die mit neuer Technik betriebene Offensive steht im Gegensatz zur traditionellen Ideologie der Partei, die von einer geschichtlich hergeleiteten Überlegenheit der Hindus ausgeht.

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