Übergabe in Afghanistan : Am Ende einer Mission
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Abflug: Soldaten auf dem Weg zu einer Transportmaschine der Bundeswehr Bild: dpa
Die Übergabe des Feldlagers in Kundus an afghanische Sicherheitskräfte ist einer der letzten Auftritte von Guido Westerwelle. Alles soll wie Routine aussehen.
Eines der letzten großen Bauprojekte der deutschen Soldaten in Kundus war eine Mauer. Sie wurde in der vergangenen Woche fertiggestellt, durchquert das riesige Gelände des regionalen Wiederaufbauteams und trennt fortan das Lager der afghanischen Armee vom Posten der afghanischen Polizei – auf Wunsch der afghanischen Seite. Denn die heimischen Sicherheitskräfte sind künftig jeweils für ihre Liegenschaften verantwortlich und das Misstrauen zwischen Armee und Polizei ist groß. Die Mauer soll Korruption schon im Ansatz bekämpfen, sagen die Deutschen, die um die traurige Symbolik ihrer letzten Handgriffe wissen.
Unweit der Mauer vor dem großen Küchengebäude auf dem Gelände des regionalen Wiederaufbauteams (PRT) ist am Sonntag alles für die feierliche Zeremonie hergerichtet. Aus Berlin sind der Verteidigungs- und der Außenminister gekommen. Es ist die erste gemeinsame Reise der beiden an den Hindukusch. Und natürlich ist es auch die letzte. In jeder Hinsicht. Guido Westerwelle verbringt nur noch einige Wochen im Amt, bald nur noch geschäftsführend. Und Kundus ist nun nach zehn Jahren an die afghanischen Kräfte übergeben worden. Ende Oktober werden die letzten Bundeswehrsoldaten die Provinzhauptstadt verlassen haben.
Thomas de Maizière eröffnet die Zeremonie in der brütenden Vormittagssonne. Man habe viel erreicht, doch es bleibe auch noch eine Menge zu tun, sagt er. Noch am Morgen gab es in der Region wieder Gefechte, in die aber ausschließlich afghanische Kräfte verwickelt waren. Die Sicherheitslage ist deutlich schlechter als von der Internationalen Schutztruppe erwartet. Deshalb fügt der Verteidigungsminister an, er hoffe und er erwarte, dass die afghanischen Kräfte „die Sicherheit bewahren und notfalls wiederherstellen“. Westerwelle bemüht sich darum, das Positive hervorzuheben, erwähnt die Fortschritte in der Infrastruktur und den Bau von Schulen für Jungen und Mädchen. „Die Übergabe des PRT Kundus ist ein Meilenstein im Prozess des Abzugs deutscher Kampftruppen“, sagt er. Mission erfüllt? Die Formel kommt in keiner offiziellen Rede vor. Nur abseits der Mikrofone wird sie mit einer Portion Sarkasmus ausgesprochen.
Westerwelle war mit dem Willen angetreten, in seiner Amtszeit die entscheidenden Schritte zum Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan zu tun. Das hatte außen- wie innenpolitische Gründe. Letztere offenbarten sich schon im Wahlkampf 2009, in dem der seinerzeitige SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier überraschend eine Debatte über ein geordnetes Ende des Isaf-Einsatzes begann. So war Westerwelle, nachdem er das Amt von Steinmeier übernommen hatte, klar, dass er selbst das Einsatzende zu seiner Priorität zu erklären habe, wollte er nicht zum Getriebenen der Opposition werden. Die außenpolitischen Rahmenbedingungen, bestimmt durch den Strategiewechsel der Obama-Administration, begünstigten sein Anliegen. Oft hat Westerwelle beklagt, dem Einsatz am Hindukusch habe lange Zeit eine realistische Strategie gefehlt, erst auf der Londoner Konferenz Anfang 2010, zu Beginn seiner Amtszeit, beschloss die Staatengemeinschaft, die Mission zu überprüfen und die Sicherheitsverantwortung schrittweise in afghanische Hände zu legen.
Der Verteidigungsminister hatte Westerwelle nach der Bundestagswahl angeboten, ihn auf der Reise nach Kundus zu begleiten. Der Außenminister sagte zu – schließlich, so wird am Sonntag etliche Male gesagt, handele es sich um eine historische Zäsur. Und eine Gelegenheit, sich von den Soldaten zu verabschieden, ist es auch. So schweben die beiden Minister am Sonntagmorgen in einem deutschen CH-53-Hubschrauber von Mazar-i-Sharif kommend in Kundus ein. Auf dem Rollfeld müssen sie zunächst eine Weile warten, denn die afghanische Delegation verspätet sich. Westerwelle macht Smalltalk mit Isaf-Kommandeur Joseph Dunford, plaudert über dessen Heimatstadt Boston und über die Frage, wie oft er schon in Afghanistan gewesen sei. Das Thema Bundestagswahl wird gemieden. Der Noch-Außenminister ist bemüht, das Ganze wie Routine aussehen zu lassen, es geht ja schließlich nicht um ihn.