Tschetschenien : Hunderttausende demonstrieren gegen „Charlie Hebdo“
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„Liebe für den Propheten Mohammed“ - Demonstration in Grosnyj am arbeitsfreien Montag Bild: dpa
In Grosnij folgen Hunderttausende einem Aufruf von Machthaber Kadyrow und protestieren gegen die Mohammed-Karikaturen in „Charlie Hebdo“. Kadyrow versteigt sich zu steilen Thesen.
Der Name des Propheten stand auf vielen Plakaten, die Demonstranten in der Hauptstadt Grosnyj am Montag in die Höhe hielten: „Hände weg von unserem geliebten Propheten Mohammed“, stand da. Oder: „Wir lieben den Propheten Mohammed“. Oder: „Der Prophet Mohammed ist der beste Mensch“. Wie viele Teilnehmer genau zur Demonstration gegen die Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen kamen, ist unklar. Das russische Innenministerium teilte mit, es seien mehr als 800.000. Nach Ansicht des tschetschenischen Innenministers waren es mehr als eine Million. Ein Mitarbeiter der BBC schätzte die Teilnehmerzahl hingegen auf höchstens 350.000.
Der tschetschenische Machthaber Ramsan Kadyrow hatte zu der Demonstration aufgerufen, den Montag für arbeitsfrei erklärt und mehr als eine halbe Million Teilnehmer in Aussicht gestellt. Er teilte mit: „Europäische Journalisten und Politiker rufen unter der falschen Losung von der Freiheit des Wortes und der Demokratie die Freiheit der Grobheit, der Kulturlosigkeit, der Beleidigung der religiösen Gefühle von Hunderten Millionen Gläubigen aus.“ Ähnlich äußerte sich Kadyrow dann in einer Rede auf der Kundgebung. Man könne mit Recht sagen, so Kadyrow, dass „hinter dem Vorfall mit den Karikaturen Behörden und Geheimdienste westlicher Ländern stehen“, die dem „Islamischen Staat“ Tausende junger Leute zutreiben wollten.
„Eine würdige Abfuhr“
In den Reihen der Terrormiliz sollen in Syrien und im Irak Hunderte Tschetschenen kämpfen, vor deren Rückkehr der russische Geheimdienst FSB warnt. Zur Radikalisierung junger Tschetschenen tragen nach Ansicht von Kritikern die brutalen Herrschaftsmethoden Kadyrows bei; zuletzt wurden in Tschetschenien die Häuser von Verwandten mutmaßlicher Terroristen angezündet und Menschenrechtler, die Fälle von Folter kritisieren, eingeschüchtert. Das Büro einer Hilfsorganisation in Grosnyj wurde ebenfalls in Brand gesetzt. Kadyrow erwähnte in seiner Rede in Grosnyj die zwei blutigen Kriege mit der Moskauer Zentralmacht nicht. Hingegen sagte er, die Tschetschenen würden immer „zuverlässige Beschützer Russlands“ sein, „und heute sind wir in der Lage, jedem Feind unserer Gesellschaft eine würdige Abfuhr zu erteilen“.
„Charlie Hebdo“ : Gewaltsame Proteste gegen Mohammed-Karikatur
In der vergangenen Woche hatte Kadyrow jeden zu seinem Feind erklärt, der das Recht der Zeitung „Charlie Hebdo“ unterstütze, „die religiösen Gefühle von 1,5 Milliarden Muslimen zu beleidigen“. Bei der Demonstration wurde auch ein Porträt Michail Chodorkowskijs verbrannt; der Gegner von Russlands Präsident Wladimir Putin hatte dazu aufgerufen, Mohammed-Karikaturen zu drucken - als Zeichen des Protests gegen die Morde an Redaktionsmitgliedern von „Charlie Hebdo“.
Zu der Protestveranstaltung waren auch Bewohner anderer Städte und Dörfer Tschetscheniens mit Bussen herangefahren worden; die Teilrepublik hat nur gut 1,2 Millionen Einwohner. Demonstranten kamen auch aus anderen überwiegend islamischen russischen Teilrepubliken des Kaukasus. Schon am Samstag hatten in Machatschkala, der Hauptstadt Inguschetiens, etwa 15.000 Menschen gegen Mohammed-Karikaturen demonstriert. Kadyrow, der einen eklektischen, „tschetschenischen“ Islam mit „heiligem Wasser“ und Reliquien des Propheten propagiert, hatte die Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen durch die französische Zeitung „Charlie Hebdo“ verurteilt, den Mord an Redaktionsmitgliedern durch radikale Islamisten aber nicht.
Die russische Medienaufsichtsbehörde hat unterdessen die Medien des Landes davor gewarnt, Karikaturen religiösen Inhalts zu veröffentlichen. Das verstoße gegen „ethische und moralische Normen“ und könne als Extremismus gewertet werden. In der russischen Hauptstadt ist indes einem Protestmarsch gegen die Verletzung der Gefühle von Gläubigen, an dem bis zu 100.000 Leute hätten teilnehmen sollen, die Erlaubnis verweigert worden.