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Tiananmen-Massaker vor 25 Jahren : Der Mann vor dem Panzer

  • -Aktualisiert am

Nach dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens stellte sich ein dünner Mann mit Einkaufstaschen vor die Panzer des chinesischen Regimes. Wer ist der einsame Demonstrant auf dem Bild, das um die Welt ging?

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          Als am 5. Juni 1989, einen Tag nach der Blutnacht in Peking ein bedrohlicher Zug von Panzerfahrzeugen der Volksbefreiungsarmee über den Platz des Himmlischen Friedens und die Straße des Ewigen Friedens in Peking rollte, lief plötzlich von der Seite des breiten Boulevards ein einzelner Mann auf den ersten Panzer zu.

          Er hatte lange Haare und war sehr dünn, er trug ein weißes Hemd und eine dunkle Hose. In beiden Händen hielt er Beutel, möglicherweise Einkaufstaschen. Er stellte sich dem ersten Panzer in den Weg und machte mit der Tasche in der Hand eine Bewegung, die man wohl am besten als ein „Schert euch weg“ beschreiben kann.

          Aus einer anderen Perspektive: Erst 2009 veröffentlichte die Agentur AP dieses Bild, das im Hintergrund den Mann vor den Panzern zeigt, während im Vordergrund drei Männer zu sehen sind, die teils Schutz suchen, teils die Lage erkunden. Der Fahrradfahrer hat den Mann offenbar gerade erblickt. Möglicherweise hat einer von ihnen den Protestierenden anschließend beiseite gezogen
          Aus einer anderen Perspektive: Erst 2009 veröffentlichte die Agentur AP dieses Bild, das im Hintergrund den Mann vor den Panzern zeigt, während im Vordergrund drei Männer zu sehen sind, die teils Schutz suchen, teils die Lage erkunden. Der Fahrradfahrer hat den Mann offenbar gerade erblickt. Möglicherweise hat einer von ihnen den Protestierenden anschließend beiseite gezogen : Bild: picture alliance / ASSOCIATED PR

          Der erste Panzer kam zum Stehen und auch die ihm folgenden Fahrzeuge. Dann versuchte die Panzerbesatzung, um den Mann herum zu fahren. Doch der blieb hartnäckig und postierte sich immer in der Fahrtrichtung des Panzers. Schließlich kletterte der Mann, immer noch mit den Beuteln in der Hand, ohne große Eile auf den Panzer und versuchte, mit den Soldaten zu sprechen. Nachdem der Mann vom Panzer herunter gestiegen war, rannten mehrere Personen vom Straßenrand zu ihm und schoben ihn gegen seinen Widerstand auf die Straßenseite.

          Rund hundert Hinrichtungen

          Die Gruppe verschwand unter den Bäumen am Straßenrand. Die Panzer rückten weiter vor. Das Bild „Der Mann vor dem Panzer“ ging um die Welt. Es ist das Bild geworden, das für die Niederschlagung der chinesischen Demokratiebewegung durch das Militär im Jahr 1989 steht. Man kennt seinen Urheber. Der Fotograf Jeff Widener hat es vom 6. Stock des Peking-Hotels aus etwa 800 Meter Entfernung aufgenommen. Fernsehteams von BBC und CNN haben die Szene auch gefilmt. Das Gesicht des Mannes vor dem Panzer ist aber nie zu erkennen und bis heute wird darüber gerätselt, wer dieser Mann war, der versuchte, die Panzer aufzuhalten.

          Nachgestellt: Die Szene wurde zum Symbol des bleibenden Widerstands. In Hongkong spielten Demonstranten sie am Sonntag während Protesten gegen die chinesische Regierung nach.
          Nachgestellt: Die Szene wurde zum Symbol des bleibenden Widerstands. In Hongkong spielten Demonstranten sie am Sonntag während Protesten gegen die chinesische Regierung nach. : Bild: AP

          Nach der blutigen Niederschlagung der Demokratie-Bewegung wurden in ganz China tausende Menschen verhaftet, weil sie sich an Demonstrationen in vielen Städten Chinas beteiligt hatten. An die hundert sind nach Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen hingerichtet worden. Aus den Bildern ist nicht ersichtlich, ob die Personen, die den einsamen Demonstranten von der Straße schoben, Sicherheitskräfte waren, die ihn festnehmen wollten oder andere Zivilisten, die ihm zur Hilfe kommen wollten.

          Nach einigen Berichten, die aus den Vereinigten Staaten kamen, soll es sich um einen Studenten gehandelt haben, der schon bald nach dem Zwischenfall hingerichtet worden sei. Dafür spricht, dass die chinesische Polizei ihn nie öffentlich vorführte und sein Verbrechen benannte und auch dass der Mann sich selbst auch in den Jahren darauf, als es nicht mehr so gefährlich war, nie selbst identifiziert hat.

          Er wird wohl auch nicht zu jenen Aktivisten gehört haben, die flohen und ins Exil gingen, denn auch die Kämpfer im Exil haben alle über ihre Taten berichtet. Es kann sein, dass er ein einfacher Bürger war, der seine Empörung über den blutigen Einsatz der Volksbefreiungsarmee gegen das Volk ausdrücken wollte und, es bleibt zu hoffen, dann wieder in der Anonymität verschwand.

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