Terrorismus : Chinas 11. September und die Folgen
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Noch immer legen täglich viele Passanten Blumen als Zeichen der Trauer um die Opfer des Massakers vor dem Bahnhof von Kunming nieder. Bild: AFP
Das offenbar von islamistischen Terroristen verübte Massaker an Reisenden am Bahnhof von Kunming hat viele Chinesen verstört. Die Angst vor weiteren Anschlägen wächst, der Umgang mit nationalen Minderheiten stößt auf Kritik.
Imam Ma aus der Provinz Gansu ist als Delegierter der Nationalen Konsultativkonferenz nach Peking gekommen. Mit seiner weißen Kopfbedeckung und seinem langen Bart ist er leicht als Muslim auszumachen. Das ist in der chinesischen Hauptstadt derzeit nicht von Vorteil: Mehrere Taxifahrer weigerten sich, ihn mitzunehmen. Erst als er nach langem Warten mit seinem Delegiertenausweis winkte, fand sich ein Fahrer bereit, ihn mitzunehmen. Imam Ma, ist verärgert. Das sei Diskriminierung von Muslimen, empört er sich.
Muslime unter Generalverdacht
Seit dem Terroranschlag von Kunming stehen Muslime insgesamt und besonders die Volksgruppe der Uiguren in China unter Generalverdacht. Das Land ist noch immer schockiert von dem Massaker am Bahnhof der Provinzhauptstadt von Yunnan, das vor zehn Tagen nach Angaben der chinesischen Polizei von acht Uiguren verübt wurde. Mit langen säbelartigen Messern bewaffnet stachen die Angreifer wahllos auf Reisende in der Schalterhalle des Bahnhofs ein. 29 Passante wurden getötet, 149 Personen verletzt; vier der Angreifer wurden von der Polizei erschossen. Einen solch folgenschweren Angriff auf unbeteiligte Zivilisten hat China in seiner jüngeren Geschichte kaum erlebt. Die Öffentlichkeit ist erschüttert, die verletzten Opfer traumatisiert.
Einige Kommentatoren sprechen von Chinas „11. September“, weil erstmals der Terror aus dem fernen Xinjiang im äußersten Westen des Landes andere Gebiete Chinas erreicht habe – Yunnan ist mehr als tausend Kilometer von Xinjiang entfernt. Kurz nach dem Angriff hatte die Stadtverwaltung von Kunming gleich uigurische Separatisten aus der Provinz Xinjiang für das Massaker verantwortlich gemacht. Eine Täterin wurde gleich am Tatort festgenommen, vier weitere wurden einen Tag später ergriffen. Bis jetzt sind noch nicht viele Einzelheiten der Ermittlungen bekannt geworden. Die Polizei hat aber berichtet, dass eine handgemalte Flagge der „Bewegung für Ostturkestan“ am Tatort gefunden wurde. Sie kämpft für eine Unabhängigkeit Xinjiangs und die Wiederherstellung eines Staates „Ost-Turkestan“, der vor dem Zweiten Weltkrieg für kurze Zeit existiert hat.
Angreifer waren gut organisiert
Beim Nationalen Volkskongress, der derzeit in Peking tagt, ließ sich nun der Parteichef der Provinz Yunnan, Qin Guangrong, mehr Informationen entlocken. Demnach sollen acht Anhänger der „Bewegung für Ostturkestan“ von Xinjiang über Yunnan in die Provinz Guangdong gereist sein, um von fort die Grenze zu überqueren und sich dem Dschihad in einem anderen Land anzuschließen. Nachdem ihnen aber nicht gelungen sei, die Grenze zu passieren, hätten sie sich für einen Anschlag in Kunming entschlossen, sagte Parteichef Qin. Dies habe die festgenommene Terroristin ausgesagt. Die Angreifer von Kunming seien gut ausgebildet und organisiert gewesen und hätten es darauf angelegt, in kürzester Zeit den größtmöglichen Schaden anzurichten, heißt es in den offiziellen Berichten.