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Snowden-Affäre : Wohliges Schweigen der Regierung in Peking

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Keine Freunde: Amerikas Präsident Obama und Whistleblower Snowden auf dem Plakat einer Pressekonferenz in Hong Kong Bild: AP

Für China ist die Snowden-Affäre bis jetzt schon ein doppeltes Geschenk. Offizielle Reaktionen gibt es zwar nicht. Aber die Medien dürfen sich zum Thema Cyber-Spionage aus Amerika austoben.

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          Alle schimpfen auf die Vereinigten Staaten, nur China nicht. Seit der ehemalige Geheimdienstmitarbeiter Snowdon die digitale Spionage der Vereinigten Staaten enthüllt hat, äußern Regierungen und Institutionen weltweit Empörung über amerikanische Bespitzelung. Nur die chinesische Regierung, die von Snowden eindeutig als Ziel von Hackerangriffen des amerikanischen Geheimdienstes bezeichnet wurde, erhebt nicht den Zeigefinger. Selbst die Tatsache, dass Snowden ausgerechnet auf chinesischem Territorium, in Hongkong, Zuflucht gesucht hat, ändert daran nichts.

          Haben sich die chinesischen Außenpolitiker zurückgelehnt und genießen einen unerwarteten Punktsieg über Amerika? So schweigsam kann eigentlich nur jemand sein, der sein Glück kaum fassen kann. Für China war die Snowden-Affäre bis jetzt schon ein doppeltes Geschenk. Der informelle Gipfel zwischen den Präsidenten Obama und Xi wurde von den Enthüllungen überschattet. Obamas Gardinenpredigt über chinesische Cyber-Angriffe war die Spitze genommen. Und die versammelten Berichterstatter waren abgelenkt und belästigten Xi Jinping nicht mit Fragen über Menschenrechtsverletzungen in China.

          Peking belässt es bei allgemeinen Appellen

          In der Sache digitale Spionage könnte die chinesische Regierung jetzt den Vereinigten Staaten Heuchlerei und Lügen vorwerfen, aber sie tut es nicht. Sie belässt es bei allgemeinen Appellen zu internationaler Zusammenarbeit in der Cyber-Sicherheit. Sie überlässt die Häme und die Vorhaltungen zunächst noch den Experten und Medien. Die allerdings dürfen sich deutlich äußern. Snowden habe das Image der Vereinigten Staaten als Verteidiger der Internet-Freiheit zerstört, schrieb ein Kommentator der Nachrichtenagentur Xinhua. Die Vereinigten Staaten hätten eine Doppelmoral bei Cyber-Sicherheit und seien scheinheilig, heißt es in der China Daily. Die chinesische Regierung solle eine Erklärung von den Vereinigten Staaten verlangen, fordern am Freitag mehrere chinesische Medien.

          China sei eine aufsteigende Macht und verdiene mehr Respekt von den Vereinigten Staaten, heißt es in der Global Times. Die halboffizielle Zeitung, die für ihre meist nationalistischen Kommentare bekannt ist, verwies darauf, dass die von Snowden behaupteten amerikanischen Hack-Angriffe auf Ziele in China und Hongkong chinesischen Interessen schadeten. Sie schlug vor, dass die chinesische Regierung mehr Informationen von Snowden verlangen sollte und diese dann in Verhandlungen mit Washington benutzen sollte.

          „Die Amerikaner sind nicht besser als wir“

          Die Enthüllungen setzen chinesische Kommentatoren auch in die Lage, mangelnden Schutz der Privatsphäre und der Rechtsstaatlichkeit in Amerika zu kritisieren. Die Obama-Regierung müsse die Grenze ihrer Anti-Terrorismus-Politik neu ziehen, damit die Eingriffe in die Privatsphäre nicht so groß würden, heißt es jetzt aus einem Land, das bekannt dafür ist, selbst in umfangreichem Maß die digitalen Aktivitäten seiner Bürger zu überwachen. „Die Amerikaner sind nicht besser als wir“, sagen die einen triumphierend, die anderen enttäuscht. Blogger feiern Snowden als Held und drängen die chinesische Regierung, ihm Asyl anzubieten.

          Ob Snowden Asyl erhält, ist unklar

          Die Hongkonger Verwaltung schaut vorläufig noch verwirrt nach Peking. Auch sie hat noch nicht anklingen lassen, wie sie mit dem prominenten Flüchtling verfahren wird. Die chinesische Zentralregierung, die in außenpolitischen Fragen durchaus das Recht hat, sich in Hongkonger Angelegenheiten einzumischen, hält sich auch hier zurück. Bald muss gehandelt werden. Gegen Snowden ist in Amerika ein Verfahren eingeleitet worden, ein Auslieferungsantrag wird folgen. Hongkong hat ein Auslieferungsabkommen mit den Vereinigten Staaten, das aber Ausnahmen in politischen Fällen vorsieht. Hat Snowden von diesen Konstellationen gewusst, als er sich ausgerechnet Hongkong als Fluchtort auswählte oder ist er gar, wie jetzt schon manche Verschwörungstheoretiker glauben, ein chinesischer Spion, der seine Enthüllungen und seine Flucht gut zum Gipfel Xi-Obama hin geplant hat? Die chinesische Regierung wird sich Zeit lassen mit einer Stellungnahme, glauben Hongkonger Beobachter. Sie wird die weitere Entwicklung des Falles und neue Informationen abwarten, eine frühe Festlegung wäre nicht in ihrem Sinn, nachdem sie derzeit ohnehin in einer günstigen Position ist. Zudem will die chinesische Außenpolitik die positive Atmosphäre, die der Gipfel zwischen Xi und Obama geschaffen hat, nicht gleich wieder belasten.

          Schwieriger wird dann die Entscheidung über die Zukunft Snowdens werden. Peking könnte in diesem Fall auf die Autonomie der Hongkonger Justiz verweisen und somit zumindest nach außen die Verantwortung über die Entscheidung abweisen, ob Snowden der erste amerikanische politische Flüchtling wird, der in China Asyl bekommt.

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