Korruption in Chinas KP : Seltene Einblicke in das Innere der Macht
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Steht im Mittelpunkt einer heiklen Korruptionsaffäre: Ling Jihua Bild: Reuters
Offiziell ist in Chinas KP die Bildung von Seilschaften verboten. Nun wird aber gegen einen Vertrauten des früheren Staatspräsidenten Hu Jintao ermittelt. Der jüngste Korruptionsskandal wirft auch Fragen über den ehemaligen Parteichef selbst auf.
Chinas Kommunistische Partei pflegt nach außen den Eindruck von Einheit und Geschlossenheit zu verbreiten. Wenn über inoffizielle Kanäle von innerparteilichen Machtkämpfen und Seilschaften berichtet wird, wird das üblicherweise als „Gerücht“ oder bösartige Verleumdung zurückgewiesen. Xi Jinpings Feldzug gegen Korruption bricht jetzt aber auch diese eiserne Regel und macht öffentlich, was bisher nur gemunkelt werden durfte.
„Die Bildung von Fraktionen in der Partei mit dem Ziel der persönlichen Bereicherung wird auf keinen Fall geduldet“, heißt es in einer Stellungnahme, die am Dienstag nach einer Sitzung des Politbüros der Partei veröffentlicht wurde. Es sei nicht gestattet, sich zu „Cliquen“ zusammenzuschließen, um persönliche Geschäftsinteressen zu verfolgen. Die Parteiführung betonte auch, dass der Kampf gegen die Korruption weitergehe und die Funktionäre sich an die Parteidisziplin halten sollten.
Wieder ein hoher KP-Funktionär im Visier der Fahnder
Das Politbüro hielt es offenbar für notwendig, diese klare Warnung an die Parteifunktionäre zu richten, nachdem in der vergangenen Woche ein weiterer „Tiger“, also Funktionär aus dem obersten Machtzirkel, von den Korruptionsfahndern abgesetzt und die Existenz eines riesigen Beziehungsnetzes um den einflussreichen Funktionär damit offiziell bestätigt worden war.
Der „Tiger“ Ling Jihua stand im Zentrum einer Seilschaft, die beste politische Beziehungen für Geschäftsprojekte und Investitionen nutzte und dabei zu Reichtum kam. Genaue Vorwürfe sind noch nicht bekanntgeworden. Ähnlich wie im Fall des bereits angeklagten Politbüromitgliedes Zhou Yongkang rollten die Korruptionsfahnder ein Netz von Personen auf, die mit Ling Jihua verwandt waren oder in Beziehungen zu ihm standen. Er war persönlicher Büroleiter des früheren Parteichefs Hu Jintao bis zu dessen Rückzug aus dem Amt im Jahr 2012, was ihm Kenntnisse über wichtige inhaltliche und personalpolitische Entscheidungen der Führung verschaffte. Davor hatte Ling als Leiter des mächtigen Büros des Zentralkomitees fungiert.
Tod des Sohnes brachte Ermittlungen ins Rollen
Sein Name kam erstmals im Zusammenhang mit dem Skandal um den Tod seines Sohnes vor zwei Jahren ins Gerede. Der Sohn starb bei einem Unfall in einem Ferrari auf einer von Pekings Ringstraßen. Zwei spärlich bekleidete Frauen saßen mit ihm im Auto. Inoffiziell wurde damals bekannt, dass der Sohn über eine ganze Flotte von Sportwagen verfügte, sein Leben als Playboy ließ sich kaum vom Funktionärsgehalt seines Vaters finanzieren. Der Vater versuchte, den Skandal zu vertuschen, doch der Ferrari-Unfall war wahrscheinlich Auslöser von Ermittlungen gegen die Familie Ling, die sich, wie dann bekannt wurde, ein riesiges Wirtschaftsimperium in der vom Kohleabbau gut lebenden Provinz Shanxi aufgebaut hatte. Zunächst stolperten Ling Jihuas Brüder – hohe Provinzfunktionäre und Wirtschaftsbosse in Shanxi – über Korruptionsvorwürfe, dann folgten andere Familienmitglieder und Freunde. Ling Jihua, zuletzt auf hohem Posten als Minister der „Einheitsfront“, zuständig für die Beziehungen zu Religionsgemeinschaften, Blockparteien und Taiwan selbst blieb lange unbehelligt. Er veröffentlichte sogar noch eine Ergebenheitsadresse an den Parteichef Xi Jinping in einem Parteijournal.
Dass Ling Jihua sich so lange halten konnte, erklären Eingeweihte damit, dass die Ermittlungen auch seinen Mentor und früheren Vorgesetzten Hu Jintao treffen könnten. Hu Jintao soll Ling vor dem Ferrari-Unfall sogar für einen Führungsposten in der Partei vorgesehen haben. Die Ermittlungen gegen seinen langjährigen Büroleiter sind somit auch ein Schlag gegen den früheren Parteichef selbst. Nach Parteigepflogenheiten musste sich Xi Jinping für ein solches Vorgehen erst der Zustimmung der anderen Mitglieder des Politbüros versichern. Das sei schwierig gewesen, heißt es in Hongkonger Zeitungen.
Wie weit wird Xi Jinping gehen?
Die Frage, ob Hu Jintao, der von 2002 bis 2012 Parteichef und von 2003 bis 2013 Staatspräsident war, Ling Jihua gedeckt oder seine Machenschaften geduldet hat, wird sich in den Ermittlungen stellen. Offiziell dürfen diese Fragen noch nicht aufgeworfen werden, doch werden sie in Peking diskutiert. Und danach wäre die nächste Frage, ob es Xi Jinping wagen würde, gegen einen seiner Vorgänger im Amt des Parteichefs vorzugehen. Das scheint unwahrscheinlich. Doch nachdem Xi Jinping sich schon über die erste ungeschriebene Regel hinweggesetzt hat, nach der Mitglieder des Politbüros nicht belangt werden dürfen, ist nicht klar, wie weit er gehen wird.
Es ist nach der Stellungnahme des Politbüros nun auch offiziell damit zu rechnen, dass es noch weit mehr Seilschaften und Clans in China gibt, die sich auf Kosten des Staates und der Allgemeinheit bereichern, ebenso hohe Funktionäre, die ihren Einfluss nutzen, um für sich oder ihre Familien illegal Vermögen anzuhäufen. Xi Jinping geht ein Risiko ein, wenn er sie verfolgt. Nicht nur würden weitere Enthüllungen dieser Art dem Ansehen der Partei schaden. Es könnte auch Widerstand von den „Cliquen“ geben, die dann leicht zu politischen Gegnern werden.