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Bruch im Regierungsbündnis : Argentinien droht Zahlungsunfähigkeit

Übt Druck auf den Präsidenten aus: Máximo Kirchner, hier Anfang 2020 Bild: AP

Der Sohn der argentinischen Vizepräsidentin Cristina Kirchner fällt Präsident Fernández in den Rücken. Die Regierung ist geschwächt – und ein entscheidendes Abkommen mit dem IWF gefährdet.

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          Es war eine Frage der Zeit, bis die Risse innerhalb des Regierungsbündnisses in Argentinien zu Brüchen werden. Die vergangene Woche erzielte Vereinbarung zwischen der Regierung und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) hat dem radikalen Lager der Peronistischen Partei nun einen Vorwand gegeben, um sich vom gemäßigten Block um Präsident Alberto Fernández öffentlich zu distanzieren. Am Montag gab der Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus, Máximo Kirchner, seinen Rücktritt von seiner Position bekannt. Er stehe nicht hinter der Strategie der Regierung und der Vereinbarung mit dem IWF, sagte Kirchner, der Sohn der früheren Präsidenten Néstor Kirchner und Cristina Fernández de Kirchner, die auch die derzeitige Vizepräsidentin ist.

          Tjerk Brühwiller
          Korrespondent für Lateinamerika mit Sitz in São Paulo.

          Am Freitag hatten die argentinische Regierung und der IWF nach jahrelangen Verhandlungen eine Einigung über die Umstrukturierung von anstehenden Zahlungen für einen Schuldenberg von mehr als 44 Milliarden Dollar erreicht. Der IWF gesteht Argentinien mehr Zeit zu, um seine Schulden zurückzuzahlen. Im Gegenzug soll Argentinien sich dazu verpflichten, sein Defizit bis 2025 auf Null zu reduzieren, die hohen Energiesubventionen der Regierung stark zu kürzen und die Inflation von derzeit mehr als 50 Prozent deutlich zu senken.

          Fernández sieht die Vereinbarung als einen Durchbruch. „Ich bin überzeugt, dass dies die beste Einigung ist, die wir erreichen konnten“, sagte er in einem Interview. Doch schon während der Verhandlungen war deutlich geworden, dass der radikale Flügel der Peronisten um die Kirchners praktisch jegliche Forderungen seitens des IWF ablehnen würde – und sich auf diese Weise aus der politischen Verantwortung zu stehlen und politisches Kapital zu schlagen.

          Ein politischer Schlagabtausch steht bevor

          Die ablehnende Haltung gegen den IWF kommt nicht nur unter den Peronisten, sondern auch in großen Teilen der Bevölkerung gut an. Er verbleibe im Block, schrieb Kirchner in seiner Mitteilung, doch es sei besser, jemandem Platz zu machen, der an das Programm mit dem IWF glaube. Fernández kündigte derweil an, Kirchner in diesen Tagen zu ersetzen.

          Nun wird es heikel für Fernández. Einerseits wegen des Abkommens mit dem IWF selbst. Dieses ist nämlich noch keineswegs sicher, sondern muss erst noch vom argentinischen Kongress gutgeheißen werden. Ohne die Unterstützung der „Kirchneristen“ ist Fernández vollends auf den guten Willen der erstarkten Opposition angewiesen.

          Wochen intensiver politischer Schlagabtausche stehen bevor, wobei die Uhr tickt. Ende März muss Argentinien Rückzahlungen von 2,8 Milliarden Dollar leisten, doch die Reserven des Landes dürften dafür kaum ausreichen. Ohne Abkommen droht Argentinien, ein weiteres Mal zahlungsunfähig zu werden, was katastrophale Folgen für die Wirtschaft des Landes hätte.

          Aus politischer Sicht legt der Bruch zwischen Kirchner und Fernández einmal mehr den ständigen Machtkampf innerhalb der Peronistischen Partei offen – und das zu einem Zeitpunkt, zu dem Fernández jeglichen verfügbaren politischen Rückhalt nötig hätte. Vizepräsidentin Cristina Kirchner, die politisch mächtiger ist als Präsident Fernández, soll nicht hinter dem Schritt ihres Sohnes stehen, heißt es. Doch sie selbst hüllt sich wie oft in solchen Situationen in ein vielsagendes Schweigen.

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