Argentinien : Alle Präsidentschaft will Ewigkeit
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Fingerzeig für die Opposition: Cristina Kirchner Anfang Oktober in Buenos Aires Bild: picture alliance / dpa
Die argentinische Präsidentin Christina Fernández de Kircher eifert Venezuelas Hugo Chávez nach. Sie schikaniert die Medien und kämpft um den Machterhalt.
Argentiniens Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner war eine der ersten, die dem venezolanischen Staatschef Hugo Chávez zur Wiederwahl gratulierten. „Dein Sieg ist auch der unsere“, sagte sie ihm mit „großer Emotion “, wie sie später twitterte. Mit „unserem“ Sieg meinte Frau Kirchner die mit Venezuela befreundeten Länder Südamerikas und der Karibik. Aber natürlich sich selbst. Denn der deutliche Wahlsieg von Chávez hat auch ihrem Projekt genutzt.
Dass Chávez zum dritten Mal in Folge – und gleich bis 2019 – im Amt bestätigt wurde, hat Frau Kirchner imponiert. Sie möchte sich selbst 2015 noch einmal im Amt bestätigen lassen, obwohl das die Verfassung verbietet. Als Mitte September Tausende Argentinier in Buenos Aires und in anderen Städten auf die Straße gingen, auf Töpfe, Pfannen und Büchsen schlugen, um gegen Frau Kirchners Politik und vor allem gegen ihre Wiederwahl-Absicht zu protestieren, legte sie ihr Vorhaben auf Eis. Der Wahlsieg von Chávez hat ihr offenbar Mut gegeben, ihre Wiederwahl neu anzugehen. Zunächst geht es allerdings darum, bei den Kongresswahlen im nächsten Jahr, wenn das Parlament teilweise erneuert wird, die nötige Zweidrittelmehrheit zusammenzubringen.
Ursprünglich hatten sich die Eheleute Kirchner darauf kapriziert, in stetem Wechsel die Herrschaft der Familie auf lange Zeit abzusichern. Frau Kirchners Ehemann Néstor war fest entschlossen, bei den Wahlen 2011 zu kandidieren, sie hätte dann problemlos 2015 wieder antreten können. Doch diese Pläne machte sein Tod im Oktober 2010 zunichte. Vor allem die Absicht seiner Witwe, sich im Präsidentenamt zu perpetuieren, weil vorgeblich das „Projekt“, das sie beide ersonnen haben, auf Dauer durchgesetzt werden müsse, hat sie zur mittlerweile eifrigsten Nachahmerin von Chávez werden lassen. Argentinien ist ohnehin in den vergangenen Monaten politisch fast zu einem zweiten Venezuela geworden.
Strenge Kontrollen im Devisenhandel
Wie Venezuela hat Argentinien zur Eindämmung der Kapitalflucht strenge Kontrollen im Devisenhandel und bei den Importen wie Exporten eingeführt. Damit versucht die Regierung, die Dollars, die für die Begleichung von Staatsschulden benötigt werden, im Land zu halten. Außerdem hat in Argentinien die Inflation ein ähnliches Ausmaß wie in Venezuela erreicht. Während die Regierung in Caracas immerhin über dieses Übel redet und es zu bekämpfen versucht, wenn auch mit bescheidenem Erfolg, tabuisiert Frau Kirchner das Problem. Ihren Ministern und engeren Mitarbeitern hat sie untersagt, darüber zu sprechen. Die staatliche Statistikbehörde liefert geschönte Zahlen.
Zwar hat Argentinien noch nicht die besorgniserregenden Mordraten erreicht, die Venezuela zu einem der unsichersten Länder weltweit gemacht haben, doch ist die Kriminalität auch am Rio de la Plata unaufhaltsam auf dem Vormarsch. Allerdings fehlen Argentinien vor allem die reichen Erdölvorkommen. Mit den Einnahmen aus der Förderung des schwarzen Goldes kann der venezolanische Präsident immerhin seine Sozialprogramme finanzieren und all das importieren, was sein Land nicht selbst zu produzieren vermag. Argentinien hingegen hat wegen seiner Schuldenpolitik nicht einmal die Möglichkeit, internationale Kredite zu bekommen.
System regierungstreuer Medien
Ähnlich wie Chávez versucht Cristina Kirchner, regierungskritische Medien zu schikanieren und zugleich ein System regierungstreuer Fernseh- und Rundfunkprogramme als Propagandanetz aufzubauen. Wie ihr Vorbild Chávez benutzt sie die „Cadena nacional“, die zwangsweise Zusammenschaltung aller Rundfunk- und Fernsehsender im Land, für ihre Medienauftritte. Chávez hat seine „Cadenas“ während der Wahlkampagne skrupellos für Wahlwerbung in eigener Sache benutzt.
In Argentinien sind derlei Auftritte des Staatsoberhaupts ebenso wie in Venezuela für die Kommunikation mit der Bevölkerung in Notsituationen und Krisenfällen gedacht. Als Frau Kirchner im September eine dieser Zwangszusammenschaltungen für eine Ankündigung vergleichsweise belangloser Neuigkeiten zur besten Sendezeit am Abend um 22 Uhr benutzte, brach ein Sturm der Entrüstung los. Der Missbrauch der „Cadena“ war einer der Gründe für den Protest der auf Töpfe und Pfannen schlagenden Bürger.
Kirchners Reden sind hochfahrende Belehrungsreferate
Den Medieninszenierungen Frau Kirchners fehlt jedoch das komödiantische Element, das die Auftritte von Chávez jedes Mal zum Spektakel werden lässt. Während er immer neue Szenarien erfindet und seine Darbietungen, die auch Gesangs- und Rezitationseinlagen enthalten, von einigem Unterhaltungswert sind, geraten die Reden der argentinischen Präsidentin zu hochfahrenden Belehrungsreferaten oder Moralpredigten. Die Auftritte Frau Kirchners, meist vor einem auserwählten Publikum von Ministern, Regierungsmitarbeitern und Vertretern regierungstreuer Institutionen, begleitet vom Jubel der Jugendorganisation „La Cámpora“, sind streng ritualisiert.
Als Frau Kirchner kürzlich bei ihrem Aufenthalt an der Harvard-Universität in den Vereinigten Staaten von Studenten gefragt wurde, warum sie keine Pressekonferenzen halte, reagierte sie nervös und sagte etwas hilflos: „Wir Regierenden sind nicht dazu da, Antworten zu geben.“ Und bei früherer Gelegenheit hatte sie gar eine bemerkenswert ehrliche Erklärung dafür gegeben, warum sie den Medien gegenüber nicht Rede und Antwort stehen wolle: „Dann würde ich mir ja vielleicht selbst widersprechen.“