Antisemitismus bei „Gelbwesten“ : „Ich habe einen absoluten Hass gespürt“
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Finkielkraut sagte am Sonntag in der Zeitung „Le Parisien“, die Leute, die ihn beschimpften, seien politisch schwer einzuordnen gewesen. Es sei „eine Mischung aus Leuten aus der Banlieue, der extremen Linken und von Bewunderern Alain Sorals“ gewesen. Soral ist ein rechtsextremer Essayist, der 2009 bei den Europawahlen mit einem antizionistischen Programm kandidierte. Mit dem Banlieue-Star Dieudonné arbeitete er 2012 für den Film „L’antisémite“ zusammen, dessen Vorführung beim Filmfestival in Cannes verboten wurde. Dieudonné gilt als „Erfinder“ des Quenelle-Grußes, eine Art umgekehrter Hitler-Gruß. Schon zuvor gab es Berichte, wonach sich ein Teil der „Gelbwesten“-Demonstranten mit dem Quenelle-Gruß untereinander begrüßen. Finkielkraut äußerte, die „Gelbwesten“ hätten auch sein Engagement für den Staat Israel ins Visier genommen. So waren Rufe zu hören wie „dreckiger Zionist“, „Geh zurück nach Tel Aviv!“ und „Frankreich gehört uns“. Er sagte, sie könnten nicht zu den „ursprünglichen ,Gelbwesten’“ gehören.
Anhänger von Beginn an
Finkielkraut zählte zu den Intellektuellen, die in den ersten Wochen die Anliegen der „Gelbwesten“ verteidigten. Er ist ein ausgemachter Kritiker Präsident Macrons. Vor dem Übergriff hatte er sich in der Samstagsausgabe der Zeitung „Le Figaro“ von der Protestbewegung jedoch deutlich distanziert und ihr „Arroganz“ vorgeworfen. Er erinnerte in dem Gespräch an die Quenelle-Grüße und Parolen, die klar antisemitisch motiviert seien. Finkielkraut wies in dem Gespräch auch darauf hin, dass einer der Begründer der „Gelbwesten“, der Lastwagenfahrer Eric Drouet, bei einem „Facebook Live“-Auftritt ohne Widerspruch die Aussage zuließ: „Die zionistische Mafia bringt uns alle um“.
Im rechten Parteienspektrum stieß der Angriff auf Finkielkraut auf einhellige Verurteilung. Marine Le Pen bezeichnete ihn als „schockierend“. Er zeige, dass die Demonstration der „Gelbwesten“ von Mitgliedern der „antisemitischen extremen Linken“ unterwandert sei, meinte die Vorsitzende des Rassemblement National (vormals: Front National). Der Spitzenkandidat der Republikaner für die Europawahlen, François-Xavier Bellamy, verurteilte den Zwischenfall und verlangte, dass die Täter gefasst und bestraft werden. Die Staatsanwaltschaft in Paris hat Ermittlungen eingeleitet.
Auffällig war hingegen das Schweigen des linken Wortführers Jean-Luc Mélenchon (La France Insoumise). Obwohl der frühere Präsidentschaftskandidat, der 2017 mehr als 19 Prozent der Stimmen errang, im Internet sehr aktiv ist, fehlte jegliche Äußerung von ihm zu dem antisemitischen Zwischenfall. Stattdessen twitterte Mélenchon: „Bravo Gelbwesten!“. Die „Polizeirepression“ habe die Protestbewegung nicht geschwächt. Beim 14. Protestsamstag waren in ganz Frankreich 41.500 Demonstranten auf die Straße gezogen, davon 5000 in Paris.
Aufmerksamkeit zog der linke Anwalt Jean-Pierre Mignard mit der Äußerung auf sich, Finkielkraut habe den Zwischenfall heraufbeschworen. Es wäre ratsamer gewesen, wenn er sich von der Straße ferngehalten hätte. „Außerdem ist er zum Glück nicht geschlagen worden. Das hätte alles geändert“, twitterte Mignard, der als Anwalt der Familien der Jugendlichen in Clichy-sous-Bois in Frankreich bekannt geworden ist, deren Tod 2005 die Banlieue-Unruhen auslöste. „Alain Finkielkraut liebt es zu provozieren“, meinte Mignard. Finkielkraut hat 2013 in seinem Essay „Die unglückliche Identität“ vor den Folgen der Masseneinwanderung gewarnt. Darin kritisierte er scharf die Neigung der Linken, den Antisemitismus in der Einwandererjugend zu leugnen.