Portugal : Afghane tötet zwei Frauen in muslimischem Zentrum in Lissabon
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Abgesperrter Bereich um das muslimische Ismaili-Zentrum in Lissabon Bild: Reuters
Der Angreifer drang mit einem „großen Messer“ in das ismailitische Zentrum in Lissabon ein und tötete zwei Frauen. Nach dem Anschlag in Lissabon hat die Antiterroreinheit die Ermittlungen übernommen.
Ein Mann mit afghanischer Staatsangehörigkeit hat in einem muslimischen Zentrum in Portugals Hauptstadt zwei Personen getötet. Nach Angaben von Innenminister José Luís Carneiro betrat der Angreifer am Vormittag das ismailitische Zentrum in Lissabon mit einer Stichwaffe und erstach zwei Frauen im Alter von 49 und 24 Jahren. Bei den Todesopfern handelt es sich um zwei Portugiesinnen. Der Angreifer war nach Polizeiangaben mit einem „großen Messer“ bewaffnet. Eine weitere Person verletzte er schwer. Gegen die Polizei soll der Mann ebenso mit seinem Messer vorgegangen sein, nachdem er dem Aufruf nicht gefolgt war, die Waffe abzulegen.
Die Kriminalpolizei hat ein Großaufgebot an den Tatort geschickt. Unklar war der Gesundheitszustand des afghanischen Tatverdächtigen, der sich nach seiner Festnahme in einem Krankenhaus befinden soll; er wurde von einem Polizeibeamten angeschossen, heißt es. Der Innenminister sagte, es handele sich offenbar um einen Einzeltäter, der den Behörden bisher nicht aufgefallen sei. Er hob hervor, dass die Motive des Täters noch untersucht würden. Nach Informationen der Sender RTP und CNN Portugal hatte der Witwer 2021 einen Asylantrag gestellt und mit seinen drei Kindern Portugiesischkurse in dem Zentrum der schiitischen Glaubensgemeinschaft besucht. Das ältere Todesopfer war dort für die Flüchtlingshilfe zuständig, das zweite eine Freiwillige.
In portugiesischen Medien wurde von einem „beispiellosen Fall in Portugal“ gesprochen. Seit vergangenem Donnerstag wird von Muslimen der Fastenmonat Ramadan begangen.
Costa spricht von „isolierter Tat“
Portugals Ministerpräsident António Costa sprach den Opfern und der ismailitischen Gemeinde seine Solidarität und sein Beileid aus. Es sei jedoch verfrüht, „diesen kriminellen Akt in irgendeiner Weise zu interpretieren“. Alles deutete darauf hin, dass es sich um eine „isolierte Tat“ handle, sagte Costa. Medienberichten zufolge schließt die Polizei einen terroristischen Hintergrund nicht aus, die Antiterroreinheit hat demnach die Ermittlungen übernommen.
Portugal ist bisher von islamistisch motivierten Attentaten verschont geblieben. Im Februar vereitelte die portugiesische Polizei nach eigenen Angaben einen Anschlag auf dem Gelände der naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Lissabon. Ein 18 Jahre alter Student, der offenbar ein Attentat auf Kommilitonen geplant hatte, wurde festgenommen.
Die Glaubensgemeinschaft der gut 18 Millionen Ismailiten entwickelte sich vor tausend Jahren aus dem siebener-schiitischen Islam. Sie hat ihre Schwerpunkte heute in Pakistan, Indien und Ostafrika, zudem im Jemen, in Iran und Syrien. Für viele sunnitische Muslime und besonders für Islamisten gelten sie als Abtrünnige. Ihr spirituelles Oberhaupt ist Karim Agha Khan IV., der sich als „Allahs sanfter Revolutionär“ versteht.
Die Ismailiten lehnen jeglichen Fundamentalismus ab und setzen auf wirtschaftliche, industrielle und kulturelle Entwicklungsprojekte in der islamischen Welt. Ihre Stiftung fördert Projekte in mehr als zwei Dutzend Ländern. Ein Schwerpunkt war das kriegszerstörte Afghanistan. In Portugal, wo etwa 8000 Ismailiten leben, hatten sie sich zuletzt besonders um Flüchtlinge gekümmert.