Besuch in Kasachstan : Baerbocks Buhlen um Zentralasien
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Ankunft in Astana am Sonntagabend Bild: dpa
Seit Russlands Einmarsch in die Ukraine geht Kasachstan auf vorsichtige Distanz zu Wladimir Putin. Das könnte China für sich nutzen. Auch Europa sieht eine Chance.
In Astana sind es nur wenige Autominuten vom Palast zum Plattenbau. Eben noch hatte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) im kasachischen Außenministerium eine Pressekonferenz gegeben, nun sitzt sie in der vierzehnten Etage eines schmuddeligen Hochhauses auf einem unbequemen Ikea-Klappstuhl. Von der Zimmerdecke strahlt Neonlicht aus Röhren, und vor der trüben Fensterscheibe wächst in einem Blumentopf irgendetwas unzerstörbar Grünes. In diesem Raum treffen sich Menschenrechtsaktivisten, Mitarbeiter von NGOs, Feministinnen. Drei Frauen sitzen Baerbock gegenüber und berichten von ihrer Arbeit. Eine Stunde bleibt die Außenministerin. Das ist länger, als sie zuvor bei ihrem kasachischen Amtskollegen Muchtar Tleuberdi war.
Baerbock ist angereist, um die deutschen Beziehungen zu Kasachstan zu stärken. Dazu gehört, auf die Einhaltung der Menschenrechte zu drängen. Schon vor der Abreise in Deutschland hatte sie betont, dass dies die Voraussetzung für dauerhafte wirtschaftliche Entwicklung sei, „weil der beste Investitionsschutz für Unternehmen verlässliche Regeln sind“. Und so mahnte die deutsche Außenministerin auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Tleuberdi am Montag an, dass der Umgang mit den Unruhen vom Januar aufgeklärt werden müsse. Damals hatte der kasachische Präsident Kassym-Schomart Tokajew mit Unterstützung Russlands Proteste blutig niederschlagen lassen. Baerbock drückte ihre Hoffnung auf Veränderung aus: „Ihr Land geht einen ehrgeizigen Weg“, sagte sie. „Aber dieser Weg lohnt sich.“ Deutschland werde als Partner an Kasachstans Seite sein.
Dass dies Deutschland gerade jetzt besonders wichtig ist, hat viel mit dem russischen Krieg gegen die Ukraine zu tun. Baerbock lobte Tleuberdi gegenüber ausdrücklich, „dass sich Kasachstan nicht auf die Seite Russlands geschlagen“ habe. Kasachstan habe in den vergangenen Monaten in schwieriger Lage Haltung gezeigt, dafür zolle sie „großen Respekt“. Kasachstan, das einst Teil der Sowjetunion war, ist eng mit Russland verbunden. Seit der Unabhängigkeit 1991 strebt das Land gleichermaßen gute außenpolitische Beziehungen auch zu China, Europa und den Vereinigten Staaten an.
Eine neue Lage: Russlands Militär ist abgelenkt und zeigt sich schwächer als erwartet
Moskau galt in der Region lange als Sicherheitsgarant. Mit dem Krieg hat sich die Lage geändert. Russlands Militär ist abgelenkt und zeigt sich schwächer als erwartet. Dazu gibt es in Astana die Sorge, dass Kasachstan das nächste Ziel einer russischen Invasion sein könnte. Präsident Tokajew ging in den vergangenen Monaten immer wieder auf Distanz zu Putin. So hat Kasachstan auch nicht die Annexionen von vier russisch kontrollierten Gebieten im Osten und Süden der Ukraine anerkannt.