Friedensverhandlungen : Guerrilla-Kämpfer am Hotelpool
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Noch kein Frieden in Sicht: Ein kolumbianischer Polizist patroulliert in den Straßen von Toribio. Bild: AFP
Die Rebellenführer der Farc, von denen einige in Kolumbien in Abwesenheit verurteilt wurden, kann man in Havanna überall treffen – das tat zuletzt auch der amerikanische Außenminister John Kerry.
Der Weg vom Dschungelkrieg zum Frieden in Kolumbien führt über Havanna. Genauer gesagt über das Hotel Palco und die nahegelegene Villensiedlung El Laguito im noblen Stadtteil Miramar. Dort verhandeln seit November 2012 Delegationen von jeweils rund 30 Mitgliedern der marxistischen „Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens“ (Farc) und der Regierung in Bogotá über ein Ende des längsten Bürgerkrieges in Lateinamerika. Eigentlich hätte ein umfassender Vertrag zur Beendigung des seit 1964 währenden Krieges am 23. März im Kongresszentrum neben dem Hotel Palco unterzeichnet werden sollen. Stattdessen verkündeten die Chefunterhändler beider Seiten dort bei getrennten Presseauftritten, man werde wohl noch ein paar Monate brauchen, um hoffentlich bis Jahresende Einigkeit über die letzten strittigen Fragen zu erzielen. Immerhin darin waren sich die Parteien einig: Man wolle „keinen schlechten Frieden“, nur um eine selbstgesetzte Frist einzuhalten.
Jüngst gehörte auch das Estadio Latinoamericano, das Baseball-Stadion von Havanna, zu den Orten bemerkenswerter diplomatischer Begegnungen. Dort saßen am 22. März bei einem Freundschaftsspiel der kubanischen Nationalmannschaft und des amerikanischen Profiteams Tampa Bay Rays aus Florida gleich gut zwei Dutzend Kommandeure und Kämpfer der Farc auf den Rängen – in Sichtweite von Präsident Barack Obama und Staats- und Parteichef Raúl Castro, die dort gemeinsam den Abschluss des historischen Kuba-Besuchs Obamas zelebrierten. Das State Department in Washington führt die Farc auf seiner Liste der ausländischen terroristischen Organisationen und verdächtigt sie zudem, in den internationalen Drogenhandel verwickelt zu sein.
Das hinderte Außenminister John Kerry nicht, sich am 21. März am Rande des Obama-Besuchs in Havanna in El Laguito mit der Farc-Führung zu treffen. Zu seinen Gesprächspartnern gehörten auch zwei Farc-Kommandeure, die von der kolumbianischen Justiz in Abwesenheit zu jeweils 13 Jahren Gefängnis verurteilt wurden – wegen der Rekrutierung von Kindersoldaten, unter ihnen Mädchen für den sexuellen Missbrauch durch Kämpfer und Kommandeure der Farc. Noch niemals zuvor war ein amerikanischer Außenminister öffentlich mit Führern einer vom State Department als ausländischer Terrorgruppe geführten Organisation zusammengekommen. Farc-Kommandeur Rodrigo Londoño, alias Timochenko, sprach von einem „historischen Treffen“, das bis vor wenigen Monaten noch „undenkbar“ gewesen wäre, und sagte, er sei „erfüllt von Optimismus, dass wir uns auf den Frieden zubewegen“. Auch Kerry zeigte sich nach den getrennten Treffen mit den Delegationen der Farc und der kolumbianischen Regierung in El Laguito ermutigt vom Fortgang der komplexen Friedensverhandlungen und äußerte die Hoffnung, dass es bald zu einem bilateralen Waffenstillstand kommen werde.
Etappenziel
Doch selbst dieses Etappenziel wurde am 23. März verpasst. Es bleibt vorerst beim einseitigen Waffenstillstand, den die Farc schon im Juli verkündet haben. Im Gegenzug haben die kolumbianischen Streitkräfte ihre Luftangriffe ausgesetzt. Auch ohne formale Waffenruhe beider Seiten sind die Feindseligkeiten in Kolumbien zwischen den Farc und den Streitkräften fast vollständig zum Erliegen gekommen – eine Art Vorgeschmack auf den Frieden.
Das Verstreichen der Frist für den Abschluss des Friedensvertrages, die sich Präsident Juan Manuel Santos und Farc-Chef Timochenko am 23. September 2015 bei ihrem historischen Handschlag von Havanna gesetzt hatten, stellt den Friedensprozess nicht grundsätzlich in Frage. Doch einerseits haben sich die Positionen der Kriegsparteien bei den letzten strittigen Punkten in den Verhandlungen jüngst verhärtet; andererseits nimmt die Zustimmung in der kolumbianischen Bevölkerung zu den Friedensverhandlungen, die vor nun schon bald dreieinhalb Jahren begonnen haben, mit deren wachsender Dauer ab. Schließlich haben die Zustimmungswerte zur Amtsführung von Präsident Santos, der sein politisches Schicksal an den Friedensprozess geknüpft hat, in jüngsten Umfragen mit gerade noch 25 Prozent einen Tiefstand erreicht. Das hat zwar mehr mit der lahmenden Wirtschaft und mit Stromrationierungen wegen der anhaltenden Dürre – Kolumbien bezieht 70 Prozent seiner Energie aus Wasserkraftwerken – als mit dem Friedensprozess zu tun. Aber ein allfälliges Referendum zum Frieden mit den Farc würde auch ein Plebiszit über die Politik des zunehmend unpopulären Präsidenten Santos insgesamt sein.