Anschlag in Orlando : Ins Herz des liberalen Amerikas
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Bild: Reuters
Die Schießerei in einem Schwulenclub in Florida ist der schlimmste Anschlag in Amerika seit dem 11. September. Dass Trump davon profitiert, bezweifelt kaum einer.
Um kurz nach zwei am Sonntagmorgen besitzt jemand vom Nachtclub „Pulse“ die Geistesgegenwart, über Facebook eine dringende Botschaft abzusetzen. „Haut vom Pulse ab, und rennt, so weit ihr könnt!“ Mehr als dreihundert Gäste sollen sich zu diesem Zeitpunkt noch in dem Club aufhalten, der sich als „heißeste Schwulenbar“ von Orlando anpreist. Schüsse waren gefallen.
Augenzeugen sprechen im Fernsehen von mindestens dreißig bis fünfzig Schuss aus einer automatischen Waffe, mehrere Minuten lang sollen Salven abgefeuert worden sein. Viele Gäste der Tanzbar hielten den Lärm zunächst für Teil der Musik. Kurz vor oder kurz nach der Facebook-Warnung, das ist wie so vieles am späten Vormittag noch unklar, haben sich offenbar drei Polizisten vor dem Nachtclub einen Schusswechsel mit dem Angreifer geliefert.
Doch der Täter kann sich danach wieder in das Lokal zurückziehen und nimmt Geiseln. Erst drei Stunden nach der ersten Schießerei entscheiden sich Sondereinsatzkräfte der Polizei zum Sturm. Mit einer „kontrollierten Explosion“ versuchen sie den Täter abzulenken. Im Lauf der Befreiungsaktion kommen etwa dreißig Geiseln frei, teilt die Polizei kurz nach sieben Uhr morgens mit.
Die Zahl der Toten beziffert sie zu diesem Zeitpunkt noch auf „ungefähr zwanzig“. Doch um halb elf Uhr teilt Orlandos Bürgermeister mit, dass es fünfzig Tote gegeben habe. 53 Menschen seien verletzt worden, einige von ihnen schwer. Die Behörden in Florida haben den Notstand verhängt. Anzeichen auf Komplizen scheint es zunächst aber nicht zu geben.
Nichts offiziell bestätigt
Zum Zeitpunkt dieser Pressekonferenz gibt es kaum noch einen Zweifel daran, dass Amerika abermals von islamistischem Terrorismus heimgesucht worden ist. Es ist der schlimmste Terrorakt seit dem 11. September 2001. Der Täter wurde nach übereinstimmenden Medienberichten als Omar Saddiqui Mateen identifiziert. Die Rede ist von einem 29 Jahre alten Mann mit Wohnsitz in Port St. Lucie, etwa auf halber Strecke zwischen Orlando und Miami. Es heißt, der Mann sei in Florida geboren worden. Seine Eltern stammten aus Afghanistan.
Offiziell wird zunächst nichts von alledem bestätigt. Zunächst müssten die Angehörigen benachrichtigt werden, sagt das FBI. Doch schon in der ersten Pressekonferenz hatte ein Vertreter der Bundespolizei auf die Nachfrage eines Reporters gesagt, man gehe dem Verdacht nach, dass der Täter eine „Neigung“ zum radikalen Islamismus gehabt habe.
Offiziell will derselbe Bundesermittler die Tat noch nicht als Akt des Dschihadismus einstufen, als das Ausmaß des Massenmords bekannt ist und die Medien zum zweiten Mal unterrichtet werden. Doch treten die Politiker und Polizeivertreter gemeinsam mit dem Vertreter eines muslimischen Verbands auf, der die Medien vor Pauschalurteilen warnt und versichert, dass der Islam eine Religion des Friedens sei.
Noch am Tatort getötet
Die Bluttat von Orlando stellt mit ihrer Schreckensbilanz den Terrorangriff von San Bernardino in den Schatten. In der kalifornischen Stadt hatten zwei Islamisten am 2. Dezember des vorigen Jahres auf der Weihnachtsfeier einer Behörde am helllichten Tag 14 Personen getötet und 22 schwer verwundet. Später kam heraus, dass sie sich vorher der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ (IS) unterworfen hatten.
Anders als in Kalifornien ist diesmal der Täter am Tatort getötet worden. Er trug nach ersten Polizeiangaben ein Sturmgewehr, eine kleinere Schusswaffe sowie eine „verdächtige Vorrichtung“ am Körper, mutmaßlich eine Sprengstoffweste oder eine entsprechende Attrappe; der Gegenstand wird später für ungefährlich erklärt.