Mehrheitsführer Kevin McCarthy : Das nächste Opfer der Tea-Party-Rebellen
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Kandidiert doch nicht: der Republikaner Kevin McCarthy Bild: Reuters
Nach John Boehner scheitert der nächste Republikaner am rechten Flügel der eigenen Partei: Weil Tea-Party-Abgeordnete auch ihn immer weiter erpressten, hat Kevin McCarthy die Kandidatur als „Speaker“ des amerikanischen Repräsentantenhauses zurückgezogen.
Wenn Kevin McCarthy den anderen Republikanern seiner Fraktion versichert, seine Tür stehe immer offen, dann ist das keine leere Floskel. Tatsächlich kann sich in Washington jeder Abgeordneter fast jederzeit an den Mehrheitsführer wenden, der sogar in seinem Büro übernachtet und allzeit bereit ist, Geselligkeit mit Politik zu vereinbaren. Doch den etwa vierzig Abgeordneten vom Tea-Party-Flügel, die sich voriges Jahr in der "Freiheits-Gruppe" organisiert haben, genügt McCarthys unbestrittene Bereitschaft zum Zuhören nicht.
Nachdem sie durch ihre dauerhafte Kompromisslosigkeit und Blockadepolitik den "Speaker of the House" John Boehner zum Rücktritt genötigt hatten, wollten sie Garantien dafür, dass mit dem Kalifornier McCarthy nicht nur ein etwas anderer Führungsstil im Repräsentantenhaus einzöge, sondern dass der rechte Parteiflügel massiv an Einfluss gewinne. Nach Boehners Ankündigung fühlten sich die Parteirechten stärker denn je und brachten immer neue Forderungen hervor. Am Donnerstag hatte Kevin McCarthy genug davon. Der Mann, der noch am Morgen trotz aller Verwerfungen als sicherer Nachfolger von Boehner gegolten hatte, zog seine Bewerbung kurz vor der entscheidenden Abstimmung in der Fraktion zurück.
Enormes Erpressungspotential
Das ist ein neuer Tiefpunkt für die Republikaner im Kongress. Anstatt ihre historische Mehrheit in dessen großer Kammer zu genießen, reiben sich die Konservativen in immer unversöhnlicheren Grabenkämpfen auf. Die "Freiheits-Gruppe" hatte aus ihren Reihen den Abgeordneten Daniel Webster aus Florida nominiert. McCarthy durfte zwar damit rechnen, etwa fünfmal mehr Stimmen als Webster zu bekommen. Dennoch war das Erpressungspotential der rechten Rebellen enorm. Denn McCarthy durfte nicht riskieren, bei der endgültigen Abstimmung im gesamten Repräsentantenhaus wegen der Gegner in der eigenen Fraktion der Demokratin Nancy Pelosi zu unterliegen. Auf jeden Fall hätte er das Amt geschwächt angetreten.
Die Tea-Party-Kollegen hatten von McCarthy höhere Posten in den wichtigen Ausschüssen und mehr Mitsprache beim Gesetzgebungsprozess verlangt; Webster verlangte schriftliche Zusagen. Hätte McCarthy ihnen verbindlich zugesichert, etwa nie wieder einen Gesetzentwurf zur Abstimmung zu stellen ohne Änderungsanträge zuzulassen, so hätte er sich wohl dazu verurteilt, so gut wie nichts durch das Parlament pauken zu können, das nicht an der demokratischen Sperrminorität im Senat oder am Veto von Präsident Barack Obama scheitern würde.
Je weiter McCarthy den lautstarken Tea-Party-Leuten entgegenkam, desto vernehmlicher murrte die moderate Mehrheit – jene Leute, die in den Wahlkampfreden Donald Trumps und anderer Kandidaten als "Establishment" beschimpft werden. Zusätzlich musste McCarthy damit umgehen, dass er vorige Woche der demokratischen Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton ein ungewolltes Geschenk gemacht hatte. Öffentlich hatte er eine Verbindung zwischen dem Parlamentsausschuss zur Untersuchung des Terroranschlags auf das Konsulat im libyschen Benghasi von 2012 und Clintons durchwachsenen Beliebtheitswerten gezogen. Die Demokraten werteten das als Eingeständnis des Offensichtlichen: dass die offiziell unparteiische Aufklärung im Kongress allein dem Wahlkampf diene. Er hätte sich besser ausdrücken können, gestand McCarthy ein.
Am Donnerstag gab er nun auf einer plötzlichen Pressekonferenz bekannt, dass er Mehrheitsführer bleiben wolle, anstatt als "Speaker" Washingtons ranghöchster Republikaner zu werden. Um die Einheit der Fraktion wiederherzustellen, sagte McCarthy, brauche die Partei ein "frisches Gesicht". Woher das kommen sollte, blieb zunächst völlig unklar.