Zika-Virus : Brasiliens Staatsfeind Nummer eins
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Auf der Jagd nach dem Zika-Virus: Lokale Arbeitskräfte desinfizieren die Straßen von Rio. Bild: dpa
Tausende Neugeborene, deren Mütter sich in Brasilien mit dem Zika-Virus infiziert hatten, sind mit Fehlbildungen zur Welt gekommen. Die Regierung hat nun Soldaten mobilisiert, um die mysteriöse Krankheit einzudämmen – auch mit Blick auf die Olympischen Spiele.
Edílson ist ein ehrgeiziger junger Fotograf aus São Paulo, der sich bis vor kurzem noch keine Sorgen um sein Auskommen machen musste. Denn Edílson hat sich auf Schwangeren-Fotografie spezialisiert, eine seit einigen Jahren lukrative Nische für kommerzielle Fotografen in Brasilien. Zumal in der zahlungskräftigen Mittelschicht Brasiliens ist die Geburt des ersten (und immer häufiger einzigen) Kindes zu einem ausgiebig zelebrierten Familienereignis geworden, das schon vorab mit professionellen Aufnahmen der werdenden Mutter dokumentiert wird.
Schlimmste Gesundheitskrise : Angst vor dem Zika-Virus in Brasilien
Sein informelles Freiluft-Atelier für die Kundschaft baut Edílson im „Parque Burle Marx“ auf, einem gepflegten Park im wohlhabenden Süden von São Paulo. Bis vor rund vier Wochen wimmelte es an Sonnentagen in dem Park nur so von Hochschwangeren, die sich hier von Edílson und anderen Fotografen aufnehmen ließen.
Dieser Tage aber bleibt selbst bei schönstem Sonnenschein die Kundschaft aus. Die Geschäfte gehen schlecht: „Zika“, knurrt Edílson zur Begründung. Längst gehört auch Insektenschutz zu seiner Grundausstattung für die Kundinnen. Doch viele Schwangere bleiben aus Sorge vor einer Infektion mit dem Zika-Virus, das von der Stechmücke „Aedes Aegypti“ übertragen wird, lieber daheim.
Edílsons Verdiensteinbruch ist freilich nur ein kleines Wehwehchen im Vergleich zu den Leiden von mittlerweile mehr als 4000 brasilianischen Müttern, bei deren Neugeborenen in den vergangenen Wochen Mikrozephalie festgestellt wurde. Die Schädelfehlbildung kann wegen des zu klein ausgebildeten Gehirns in der Entwicklung des Kindes von nur leichten Seh- oder Hörstörungen über mäßige Lernschwächen bis hin zu schwerster geistiger Behinderung und drastisch verringerter Lebenserwartung führen.
200.000 Soldaten in der Schlacht
Die überlebenden Kinder litten unter unabsehbaren Langzeitfolgen, weiß der Epidemiologe Roberto Medronho von der Staatlichen Universität in Rio de Janeiro. Das Risiko sei groß, dass die betroffenen Kinder später „weder studieren noch arbeiten können“, sagt Medronho: „Was wir jetzt sehen, ist nur die Spitze des Eisbergs.“ Medronho vergleicht die Lage mit den Folgen des Contergan-Skandals in den sechziger Jahren, als schwangere Frauen nach der Einnahme des Beruhigungs- und Schlafmittels Contergan behinderte Kinder zur Welt brachten.
Bisher sind sich die brasilianischen Gesundheitsbehörden und die internationale Forschung noch nicht ganz einig, ob der sprunghafte Anstieg der Mikrozephalie bei Neugeborenen in Brasilien eindeutig auf den gleichfalls sprunghaften Anstieg der Infektionen mit dem Zika-Virus in mehreren lateinamerikanischen Ländern zurückzuführen ist. Die Indizienlage scheint freilich eindeutig – so eindeutig, dass die brasilianische Regierung dem Virus und der Stechmücke, die es überträgt, jetzt buchstäblich den Krieg erklärt hat und im Februar 200.000 Soldaten in diese Schlacht schicken wird.
Seinen Namen verdankt das Zika-Virus dem gleichnamigen Wald in Uganda, wo es erstmals 1947 nachgewiesen wurde. Ob es auch in Afrika zu Epidemien nach Zika-Infektionen gekommen ist, ist unklar. Denn bei Erwachsenen sind die Symptome einer Infektion mit dem Zika-Virus wenig dramatisch – Hautausschlag, Kopf- und Gliederschmerzen, leichtes Fieber –, und sie klingen rasch wieder ab. Es ist möglich, dass die Infektion auch (fast) ohne sichtbare Symptome verläuft und eine Epidemie deshalb gar nicht festgestellt wird. Einen epidemischen Ausbruch von Zika-Infektionen gab es in den Jahren 2013 und 2014 in Französisch-Polynesien im Südpazifik.