Afrikanische Flüchtlinge in Israel : Auszug aus dem Gelobten Land
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Reise ins Ungewisse: Ein Sudanese blickt nach seiner Festnahme aus dem Fenster eines Busses der israelischen Einwanderungsbehörde Bild: dpa
Durch die Wüste auf der Sinai-Halbinsel strömen Flüchtlinge und Arbeitslose aus Ostafrika nach Israel. Sie suchen Perspektiven und Arbeit. Willkommen sind sie nicht, nun sollen viele ausgewiesen werden.
Der Laden im Süden von Tel Aviv verkauft DVDs und afrikanisches Bier, doch viele Eritreer kommen nur, um nachzusehen, ob ihr Name auf der Liste am Schaufenster steht. Dann ist in ihrem Ersatzpostamt ein Brief oder ein Päckchen aus der Heimat für sie angekommen. Eine eigene Adresse besitzen sie in Israel nicht; Neuankömmlinge in Tel Aviv haben oft nicht einmal ein eigenes Bett.
Zweihundert, manchmal dreihundert Menschen schlafen im Levinski-Park, neben dem Busbahnhof - auf dem Rasen rund um den Spielplatz mit der roten Rutschbahn. Die Sommernächte sind warm, das Gras ist weich. Morgens verbreitet sich beißender Uringeruch.
Wer nicht freiwillig ausreist, wird abgeschoben
Mehr als 60.000 Einwanderer ohne gültige Papiere leben in Israel, gut zwei Drittel davon in Tel Aviv - die meisten in den Vierteln des armen Südens rund um den Busbahnhof. Gäbe es nicht Schilder auf Hebräisch, man könnte in manchen Straßen meinen, man sei in Khartum, Juba oder Asmara. „Wenn es besetzte Gebiete gibt, dann sind sie hier in Tel Aviv. Die Afrikaner nehmen uns unsere Stadt weg“, schimpft ein israelischer Passant. Der Unmut der Einheimischen wächst. Beschimpfungen schlugen schon in Gewalt um.
Neuankömmlinge aus Afrika können deshalb froh sein, wenn sie nicht ungeschützt am Straßenrand schlafen müssen und sich ihnen die graue Metalltüre an der Nave-Schaan-Straße öffnet. Auf den verschlissenen Schaumstoffmatratzen in der Notunterkunft drängen sich bis zu 200 Schläfer. Sie teilen sich eine Dusche, eine Toilette und eine Küche, unter der Spüle streiten sich zwei Ratten um den Abfall. Viertausend Dollar muss der kleine Hilfsverein „Bnai Darfur“ für diese Absteige zahlen. Einige verdienen so an der Not der Afrikaner. Das zeigen auch die Schilder, die Wohnungen in allen Größen anbieten. Die Eigentümer kümmert es nicht, wie viele Menschen dort am Ende wohnen, Hauptsache, sie können die hohe Miete bezahlen.
Seit einer Woche aber haben die Sudanesen andere Sorgen. „Die Polizisten fragen gar nicht lang. Es reicht, dass man schwarz ist, damit sie einen festnehmen. Die Leute sind völlig verunsichert“, sagt Guy Jusef, der für Bnai Darfur („Söhne Darfurs“) arbeitet. Am vergangenen Sonntag hat die israelische Polizei damit begonnen, Südsudanesen in Gewahrsam zu nehmen. Die Beamten durchkämmen systematisch Straßen, Arbeitsplätze und Unterkünfte. Wer nicht freiwillig ausreist, wird abgeschoben. An diesem Sonntag sollen die ersten Flugzeuge in den Staat starten, der erst vor einem knappen Jahr unabhängig wurde. Mehrere hundert Südsudanesen nahm die Polizei schon in Abschiebehaft, mehr als 300 meldeten sich aus freien Stücken, weil sie für sich keine Zukunft mehr in Israel sehen. Zuvor hatte ein israelisches Gericht entschieden, dass die Lage in Südsudan für eine Rückkehr sicher genug ist.
Andere Stimmen haben keine Chance
„Die israelischen Politiker behaupten, es müssen nur die Südsudanesen gehen. Aber warum werden dann auch Leute aus Darfur verhaftet? Wir denken, dass das nur der Anfang ist“, befürchtet Guy Jusef. Zu Südsudan unterhält Israel diplomatische Beziehungen und kann deshalb auch Bürger dorthin abschieben. Der muslimische Norden Sudans, zu dem auch Darfur gehört, ist jedoch aus israelischer Sicht ein „Feindstaat“. Es gibt deshalb keine offiziellen Kontakte und keine Abschiebungen. Nach Schätzungen von Menschenrechtlern leben in Israel 15.000 Sudanesen und knapp 800 Südsudanesen; die Behörden sprechen von 1500. Dazu kommen gut 35.000 Eritreer. Nach Ansicht des israelischen Außenministeriums können sie nicht nach Hause geschickt werden. Bei einer Rückkehr in das autoritär regierte Land könnte ihr Leben in Gefahr sein.
Dina Emunah interessiert sich für solche Zahlen und Einzelheiten nicht. Für die Frau aus dem Hatikvah-Viertel im Süden Tel Avivs ist klar, dass es viel zu viele Afrikaner sind. Die religiöse Jüdin, die ihr Haar mit einem modischen Tuch bedeckt, zeigt auf die mit Möbeln vollgestellten Balkone der niedrigen Häuser. „Die Afrikaner sind überall. Sie nehmen uns die Arbeit und die Wohnungen weg.“ Das ist nur der Beginn einer langen Anklage. Alte Leute in dem Viertel wagten sich nicht mehr vor die Türe; einer Frau habe ein Ausländer vor der Tür den Ring vom Finger gerissen. Als sie hören, worum es geht, kommen Nachbarn dazu und überbieten sich mit Schreckensgeschichten. Mädchen seien auf den Straßen nicht mehr vor Vergewaltigern sicher. In den überfüllten Häusern erledigten die Afrikaner ihre Notdurft im Treppenhaus. „Sie können sich einfach nicht benehmen“, schimpft eine Passantin.