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Tunesien : Neue Verfassung gibt Hoffnung auf Ende der Krise

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Geschafft: Jubel in der Nationalversammlung von Tunis, nachdem die neue Verfassung angenommen wurde Bild: dpa

Während andere arabische Länder im Chaos versinken, kämpft sich Tunesien durch die Krise. Das Mutterland des Arabischen Frühlings gibt sich eine neue Verfassung. Noch dieses Jahr soll es Wahlen geben.

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          Nach mehrfachem Aufschub ist in Tunesien am Sonntag eine neue Verfassung bestätigt worden. In der Nationalversammlung erhielt der Text eine überwältigende Mehrheit von 200 Stimmen bei zwölf Gegenstimmen. Die neue Verfassung gilt als entscheidende Etappe, um drei Jahre nach der Revolution und dem Sturz von Machthaber Zine el Abidine Ben Ali die politische Übergangsphase klar abzuschließen.

          Tunesien scheint sich selbst aus den Fängen einer monatelangen Krise befreien zu können. Während große Unsicherheit in Libyen herrscht und Ägypten im Chaos zu versinken droht, ebnet sich Tunesien mit der neuen Verfassung und einer am Sonntag präsentierten Übergangsregierung den Weg zu den in diesem Jahr geplanten Wahlen. Das Land bewahrt sich so seine Chancen auf Freiheit und Demokratie.

          Unruhen in den Nachbarländern

          Der Blick über die Grenzen kann in Tunesien als Warnung dienen: Das Nachbarland Libyen kommt auch fast drei Jahre nach dem Sturz des Diktators Muammar al-Gaddafi nicht zur Ruhe. Die Sicherheitslage gilt als schwierig. Bei Entführungen von Diplomaten und Geschäftsleuten geht es häufig um Lösegeld. Die Übergangsregierung unter Ali Seidan wird kritisiert, weil nicht alle Milizen entwaffnet sind.

          In Ägypten versank der dritte Jahrestag der Revolution am Sonntag in blutiger Gewalt: Dutzende Tote und Hunderte Verletzte gab es bei Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften. Islamistische Muslimbruderschaft und Aktivisten der damaligen Revolution gegen Langzeitherrscher Husni Mubarak protestierten landesweit gegen die Regierung von Übergangspräsident Adli Mansur.

          Tumulte gab es auch in Tunesien

          Doch auch Tunesien stand in den vergangenen Monaten auf der Kippe. Nach dem Mord an Oppositionspolitiker Mohamed Brahmi Ende Juli lähmte die Dauerkrise mit wochenlangen Tumulten das politische Leben im Land. Der Regierungspartei Ennahda wurde eine politische Mitverantwortung für den blutigen Anschlag von Extremisten gegeben. Die islamistische Partei stellte zunächst einen neuen Regierungschef und willigte schließlich zögerlich ein, die Regierungsverantwortung im Rahmen eines nationalen Dialogs abzugeben. Gemeinsames Ziel in Tunesien: Ein Ende der politischen Krise.

          Staatschef Moncef Marzouki konnte schließlich den nach langem Ringen gefundenen Kompromisskandidaten Mehdi Jomaâ mit der Regierungsbildung beauftragen. Der parteilose bisherige Industrieminister stellte am Sonntag seine Regierung aus 21 unabhängigen Experten als Minister vor. Das Projekt hatte er noch einen Tag zuvor für gescheitert erklärt, nachdem es vor allem um Zuschnitt und Kompetenzen des wichtigen Innenministeriums Streit gegeben hatte. Nach den Vorgaben des mühsam ausgehandelten nationalen Dialogs sollen bis zu den noch für dieses Jahr geplanten Wahlen nur politisch unabhängige Experten in der Regierung sitzen.

          Gewissensfreiheit und Gleichberechtigung

          Geebnet werden soll der Weg zudem durch die ebenfalls lang diskutierte neue Verfassung. Ursprünglich sollte sie schon zum dritten Jahrestag des Sturzes von Langzeitherrscher Zine el Abidine Ben Ali verabschiedet werden. Sie sichert auch Gewissensfreiheit und Gleichberechtigung im muslimisch geprägten Tunesien, in dem der Islam Staatsreligion ist.

          Streit gab es aber unter anderem um die Befugnisse des Staatschefs. Die Ennahda wollte eine repräsentative Rolle des Staatschefs, während die meisten anderen Parteien im Übergangsparlament dem Präsidenten mehr Machtbefugnisse belassen wollten. Der erste demokratisch gewählte Staatspräsident Moncef Marzouki gilt als gemäßigter Politiker.

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