
Nigeria : Allein mit dem Terror
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Ohne die Bruderschaft funktioniert keine Präsidentenkarriere
Die Islamisten kontrollieren mittlerweile weite Teile der drei Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa. Sie sind in Kamerun aktiv und wohl auch in Tschad. Die tschadische Armee ist inzwischen in Nigeria einmarschiert und stellt den Islamisten dort nach. Für die nigerianische Armee, eine der größten des Kontinents, ist das ein Armutszeugnis. Nahezu jeden Tag sterben zwischen Kano und Maiduguri Menschen bei Bombenanschlägen, und trotzdem verkündet die Regierung Jonathan im Tagesrhythmus, dass alles bald besser werde.
In Gombe erfuhr Jonathan die Ohnmacht seiner Sicherheitsdienste am eigenen Leib, als er bei einer Wahlkampfveranstaltung nur knapp einem Bombenanschlag durch zwei Selbstmordattentäterinnen entging. In Yola im Bundesstaat Adamawa wiederum wurde sein Autokonvoi von aufgebrachten Menschen mit Steinen beworfen.
Im Herzen Kanos empfängt der jungenhaft wirkende Imam Sheik Ali Yunus in seiner Moschee. Yunus ist ein Anhänger der senegalesischen Muslimbruderschaft, so wie die meisten Muslime im Norden Nigerias. Die Bruderschaft gilt als liberal, weil sie zumindest öffentlich nicht für eine Verschmelzung von Staat und Kirche eintritt. Dabei kann in Senegal kein Politiker ohne den Segen der Muslimbruderschaft Präsident werden.
„Die kannte vor 10 Jahren noch kein Mensch“
Der Boden der Moschee ist mit giftgrünen Teppichen in den Landesfarben geschmückt. Yunus trägt eine randlose Brille, hinter der kluge Augen blitzen. Boko Haram? „Diese Gruppe ist auch für mich ein Rätsel, die kannte noch vor zehn Jahren kein Mensch“, sagt er. Will heißen: Boko Haram hat sich nicht mit geschulten Imamen hervorgetan, insofern zählt die Gruppe nicht zu einem Teil des muslimischen Klerus. Yunus schwört, die Jugend in Kano sei nicht empfänglich für die Kopf-ab-Parolen der Islamisten. Aber die Ursachen für deren Stärke, die glaubt er zu kennen: „Armut, Unwissen und Korruption.“
Bei gleicher Gelegenheit erklärt der Imam die Demokratie in Nigeria für gescheitert. „Sehen Sie: Nigeria ist nicht gerade ein armes Land, aber Nigeria wird armselig regiert.“ Auf Haussa gebe es ein Wort für Politik, nämlich „Kasuwa“. Das heißt „Marktplatz“ – ein Ort, an dem sich Geld verdienen lasse, sagt Yunus und lacht. „Im Ernst: Die Demokratie nigerianischer Prägung ist zu einem Selbstbedienungsladen der Eliten verkommen. Boko Haram ist das Ergebnis dieser Politik, und deshalb ist es an der Zeit, sich nach Alternativen umzusehen.“
Ein Beispiel hat er auch parat: Sudan. „Keine Trennung mehr von Kirche und Staat, die Scharia als alleingültige Rechtsprechung, Gerechtigkeit für alle“, doziert Yunus. Dass der freundliche Imam damit das Ziel der Islamisten, im Norden Nigerias ein Kalifat zu errichten, nur knapp verfehlt, fällt ihm nicht auf.
Islamismus ist nicht nur nationale Angelegenheit
„Wenn Jonathan gewinnt, wird es im Norden zu blutigen Ausschreitungen kommen. Wenn er verliert, rebelliert der christliche Süden“, sagt der Historiker Sule Bello von der Universität Kano. Im ölreichen Süden wird mittlerweile einer Sezession das Wort geredet, sollte Jonathan nicht wiedergewählt werden.
Im Norden ist man nur geringfügig zurückhaltender. Aber angesichts des nicht enden wollenden Terrors von Boko Haram steigt die Unzufriedenheit mit einer als unfähig empfundenen, weil von Christen dominierten Regierung nahezu täglich. Der amerikanische Außenminister Kerry war nicht nur wegen Boko Haram unlängst in Abuja. Er nötigte Jonathan und Buhari das Zugeständnis ab, die Religion im Wahlkampf außen vorzulassen. Genützt hat das nichts.