Beschneidung : Grausame Mutprobe in den Bergen
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Initiation beim Volk der Xhosa: Nach einer Fastenwoche in der Einsamkeit taucht der Beschneider bei den Jungen auf. Sein Messer säubert er nie. Bild: AFP
Beim Beschneidungs-Ritual werden junge Südafrikaner zu Krüppeln - oder sterben sogar. Doch die Regierung kuscht vor den so genannten Chiefs. Denn diese haben großen Einfluss in ihrer Region.
Es war der elfte Tag seiner Initiation, an dem Asanda beinahe gestorben wäre. Seit drei Tagen hatte er kein Wasser mehr lassen können, und sein Penis sah aus wie ein faules Stück Fleisch. Dann schwollen seine Knie an, seine Beine. Asanda bekam Fieber. Er beklagte sich über heftige Schmerzen, doch die Gruppe beschimpfte ihn als „Mädchen“. Irgendwann verlor er das Bewusstsein, und als er wieder zu sich kam, lag er in einem Krankenhausbett. Daneben stand ein Arzt und brachte dem jungen Mann mühsam bei, dass er ihm gerade das Glied amputiert hatte.
Ulwaluko, die traditionelle Beschneidung, ist so alt wie das Volk der Xhosa in Südafrika. Es markiert den Übergang vom Jungen zum Mann und gilt als wichtigstes Ritual der Xhosa. Einen Monat verbringen die Jungen im Alter zwischen sechzehn und zwanzig Jahren im Winter in improvisierten Lagern in den Bergen. In der Kälte gelten für die Gruppen von bis zu 25 jungen Männern strenge Regeln. Sie müssen fasten, Speisen mit Salz und Öl sind verboten. Nach einer Woche Einsamkeit taucht der Ingcibi auf, der Beschneider. Er trennt die Vorhaut ab und behandelt die Wunde mit Kräutern und Verbänden aus Tierfell. Die restlichen drei Wochen, so will es die Tradition, dienen der Vorbereitung auf das Leben als Erwachsener: Verantwortung zu übernehmen, sein Handeln selbst zu bestimmen, die Ehre und die Würde des eigenen Volkes zu schützen. Nelson Mandela, selbst Xhosa, beschrieb das Initiationsritual als „eine der lehrreichsten Erfahrungen in meinem Leben“. Doch das ist Schnee von gestern.
Heute geht es bei Ulwaluko um schnelles Geld. Um die Macht der Traditionshüter, die sich „Chiefs“ nennen. Und nicht zuletzt um eine sinnlose Mutprobe, deren Einsatz die eigene Gesundheit ist. Die Ingcibi sind meist völlig ahnungslos, sie hantieren mit verunreinigten Messern und dreckstarrenden Verbänden. Sie verweigern den Jugendlichen Wasser und Nahrung, weil sie der Ansicht sind, dass Ulwaluko in erster Linie ein Test der Leidensfähigkeit zu sein hat. 885 Tote waren in den vergangenen zehn Jahren zu beklagen. Gestorben sind die Männer an Infektionen, Wassermangel, Unterernährung und Schock. Allein in diesem Jahr kamen bislang 78 junge Männer ums Leben. Die Zahl der Verstümmelten soll doppelt so hoch sein. Nirgendwo sonst in Südafrika ist die Todesrate höher als in Pondoland, einem gerade einmal 50 Kilometer schmalen Streifen zwischen den beiden Provinzen KwaZulu-Natal und Eastern Cape. Es ist die Heimat des Xhosa-Volks der Pondo.
Asanda, der zu den Verstümmelten gehört, ist 24 Jahre alt, doch er wirkt nicht älter als achtzehn. Die Haare trägt er in einer modischen Rastafrisur. Er hat lange Wimpern, unter denen große braune Augen hervorschauen, und ein fast feminines Gesicht – ein hübscher Bursche, der bestimmt gut ankommt bei den Mädchen im Dorf. „Der Zug ist für mich abgefahren“, sagt er bitter. In einer Gesellschaft, die sich nicht zuletzt über die Zahl der Nachfahren und damit über die eigene Manneskraft definiert, ist deren Verlust eine Katastrophe. Dabei wollte Asanda gar nicht in die Berge. Er hatte im Radio von den vielen Todesfällen gehört und von den Verstümmelungen. Doch er hatte keine Wahl. Seine beiden jüngeren Brüder wollten unbedingt zu dem Ritual, und um Kosten zu sparen, schickte die Familie gleich den gesamten männlichen Nachwuchs zum Ulwaluko.