Muslimbrüder im Visier : Neues Antiterrorgesetz in Ägypten
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Der ägyptische Präsident Abd al Fattah al Sisi hat ein neues Antiterrorgesetz unterschrieben. Bild: Reuters
Präsident Abd al Fattah al Sisi will ein „neues Ägypten“ schaffen. Jetzt tritt ein Gesetz in Kraft, dass nicht nur den Muslimbrüdern, sondern auch Journalisten gefährlich werden könnte.
Neue Städte im Norden des Sinais, Tunnel, welche die Halbinsel mit dem Nil-Delta verbinden, eine neue Stadt vor den Toren Kairos, ein zweispuriger Suez–Kanal als „Geschenk an die Welt“ und ein neues Parlament, welches „das wichtigste“ in der Geschichte des Landes sei: So sieht das „neue Ägypten“ von Präsident Abd al Fattah al Sisi aus - ein Ägypten der Großprojekte, das sich dem islamistischen Terrorismus entgegenstelle.

Korrespondent für die arabischen Länder mit Sitz in Beirut.
Doch dieses Ägypten existiert nur in den Verlautbarungen der Regierung. Für Menschenrechtler, Aktivisten und Journalisten sieht die Realität anders aus: Sie sehen die Rückkehr der alten Garde an die Macht, sehen Polizeigewalt, Bombenterror, der auch die Innenstadtviertel Kairos nicht mehr ausspart – trotz der Repression im Namen der Terrorismusbekämpfung.
Seit Sonntag hat sich die ägyptische Führung mit zusätzlichen Instrumenten ausgestattet, um ihre Kampagne gegen die Muslimbrüder und andere Oppositionelle fortzuführen. Staatschef Sisi unterzeichnete das vom Kabinett im Juli vorgelegte Antiterrorgesetz, welches den Handlungsspielraum der Sicherheitsbehörden ausweitet.
Militär, Polizei und Geheimdienste müssen künftig noch weniger fürchten, für unangemessene Gewaltanwendung zur Rechenschaft gezogen zu werden. Sondergerichte können einberufen werden; wer eine terroristische Vereinigung gründet oder führt, dem droht im schlimmsten Fall die Todesstrafe. Dabei gilt als Terrorist schon, wer zur Muslimbruderschaft gehört, die seit dem Sturz des islamistischen Präsidenten Muhammad Mursi im Juli 2013 in den Untergrund gedrängt wurde.
Weiter Einschränkung der Pressefreiheit
Besonders lauten Streit hatte Artikel 33 des Antiterrorgesetzes hervorgerufen. Dieser hatte zunächst Haftstrafen für Journalisten vorgesehen, sollten deren Berichte über Terroranschläge von den Angaben der Behörden abweichen – und sei es nur wegen der Opferzahlen in den Reihen der Sicherheitskräfte. Denn Anfang Juli hatten Dschihadisten des ägyptischen Ablegers der Terrororganisation „Islamischer Staat“ auf dem Sinai in einer koordinierten Aktion etliche Armeeposten angegriffen.
Während die Armee von 21 getöteten Soldaten gesprochen hatte, wurden von manchen Medien bis zu 70 Tote gemeldet. Das Militär verkündete daraufhin auf seiner Facebook-Seite, es kämpfe an zwei Fronten: gegen die Terroristen und „in einem tendenziösen und grimmigen Krieg“, den die ausländische Presse führe. Doch angesichts des Aufschreis im Inneren und der Kritik aus dem Ausland sah sich Kairo offenbar veranlasst, den Paragraphen etwas abzuschwächen. Nun sieht er Geldstrafen zwischen umgerechnet rund 23.000 und 57.000 Euro vor.
Festnahmen und Folter an der Tagesordnung
Mit harter Hand gegen Journalisten griff das Sisi-Regime freilich schon vor Verabschiedung des Antiterrorgesetzes durch. Nach Angaben der Organisation „Reporter ohne Grenzen“ sind derzeit zehn Journalisten und ein Online-Aktivist inhaftiert. Regierung und Justiz gingen systematisch gegen Medien mit Verbindungen zur Muslimbruderschaft vor. Willkürliche Festnahmen und Folter seien an der Tagesordnung.
Der Wendepunkt waren die Tage im August 2013, als Sicherheitskräfte Protestlager der Muslimbrüder in Kairo räumten und ein Blutbad mit Hunderten Toten anrichteten. Seither ist das Land gespalten. Die Staatsmedien führen eine Hetzkampagne gegen ausländische Medien, schüren Misstrauen in der Bevölkerung.
Damals berichteten Diplomaten, der algerische Botschafter rede mit Engelszungen auf die neuen Militärmachthaber ein, die Islamisten nicht mit Gewalt in den Untergrund zu treiben. Doch das neue Antiterrorgesetz ist ein weiter Hinweis darauf, dass Sisi auf die gewaltsame Zerschlagung der Islamistenorganisation setzt. Die Sicherheitslage in Ägypten hat sich seit dem Sturz Mursis immer weiter verschlechtert. Und Diplomaten sehen in den andauernden Kampfansagen an den Terror eher ein Zeichen der Unsicherheit.
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