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Kabul : Bundeswehr fliegt zunächst nur sieben Personen aus

Ein Transportflugzeug vom Typ Airbus A400M der Luftwaffe startet am vergangenen Montagmorgen auf dem niedersächsischen Fliegerhorst Wunstorf in Richtung Kabul. Bild: Moritz Frankenberg/dpa

Die Rettungsmaschine der Luftwaffe konnte erst nach stundenlangem Kreisen landen, nahm aber nur sieben Menschen an Bord. Unterdessen drängten sich offenbar mehr als 600 Afghanen in ein US-Flugzeug.

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          Der Bundeswehr ist in der Nacht eine erste Landung am Flughafen Kabul geglückt. Nachdem am Abend ein A400M-Transporter mit deutschen Fallschirmjägern an Bord mehrere Stunden vergeblich über der afghanischen Hauptstadt gekreist und dann nach Usbekistan zurückgekehrt war, erhielt eine zweite Maschine gegen 22.20 Uhr nach ebenfalls längerem Kreisen schließlich die Erlaubnis zur Landung. Doch statt der erhofften höheren Zahl von Schutzbefohlenen gelang es während eines nur etwa 30 Minuten dauernden Stopps des Airbus nur, lediglich sieben Personen an Bord der Maschine zu nehmen. Sie flog dann zurück nach Usbekistan.

          Peter Carstens
          Politischer Korrespondent in Berlin

          Das Ministerium verschwieg zunächst die Zahl der Geretteten und gab lediglich bekannt, der A400M sei „mit zu Schützenden“ auf dem Weg nach Taschkent. Der CDU-Außenpolitiker Johann Wadephul bestätigte am Dienstag im Deutschlandfunk einen entsprechenden Bericht der Bild-Zeitung. „Es sind nur sieben“, sagte der Unions-Fraktionsvize. Später hieß es aus dem Verteidigungsministerium, es seien um diese Zeit nur wenige der auf den Evakuierungslisten Genannten am Flugplatz gewesen. Bei den Passagieren soll es sich um fünf Deutsche, einen Niederländer und einen Afghanen gehandelt haben.

          „Wir konnten nur die mitnehmen, die da waren“

          Wadephul sagte, man habe nur ein Zeitfenster von 30 Minuten gehabt. „Und wir konnten nur die mitnehmen, die jetzt da waren. Es wäre auch unverantwortlich gewesen, weil gar nicht sicher war, dass die Maschine landen konnte, mehr dort jetzt schon zum Flughafen zu bringen.“

          Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur, die sich auf Sicherheitskreise beruft, war der Treibstoff der Bundeswehrmaschine nach fünfstündigem Kreisen bereits knapp geworden. Zuvor hatte die andere Transportmaschine den Anflug auf Kabul abbrechen müssen, um in Taschkent (Usbekistan) nachtanken zu können. Die beiden A400M waren vom niedersächsischen Wunstorf gestartet und in Baku in Aserbaidschan zwischengelandet. Sie sollen deutsche Staatsbürger und afghanische Ortskräfte, die früher für die Bundeswehr oder Bundesministerien gearbeitet haben oder heute noch arbeiten, zunächst nach Usbekistan bringen. Vom dortigen Drehkreuz Taschkent soll es mit Chartermaschinen weiter nach Deutschland gehen. Ein dritter deutscher A400M, der für medizinische Transporte ausgerüstet ist, sowie ein Airbus A310 MRTT starteten ebenfalls am Montag von Wunstorf nach Taschkent.

          Amerikaner bringen Hunderte aus dem Land

          Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sagte am Dienstag im ARD-Morgenmagazin: „Mit der Maschine haben wir vor allem Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten zur Absicherung nach Kabul gebracht, die jetzt die Evakuierung weiter vorbereiten.“ Wie das genau ablaufen soll, ist unklar, da es derzeit keine verlässliche Autorität über den Flughafen gibt. Am Montag waren hunderte Afghanen auf das Flugfeld gelangt und hatten versucht, auf abfliegende Maschinen zu klettern. Mindestens fünf Menschen kamen ums Leben.

          Nach einem Bericht des Magazins Der Spiegel soll es wegen der zunächst ausgebliebenen Landeerlaubnis und einer nächtlichen Ausgangssperre ab 21 Uhr in Kabul nicht möglich gewesen sein, rechtzeitig mehr Personen zum Flughafen zu bringen. Die Taliban sollen an Checkpoints an der Straße zum Flughafen nur noch Ausländer durchlassen, keine Afghanen mehr. Das würde auch all die afghanischen Ortskräfte betreffen, die früher für deutsche Dienststellen oder in der Entwicklungshilfe gearbeitet haben.

          In ein großes amerikanisches Transportflugzeug vom Typ C-17 „Globemaster“ waren unterdessen mehr als 600 Menschen gelangt. Die Besatzung hatte sich dazu entschlossen, trotzdem zu starten und die Passagiere nicht wieder zum Aussteigen zu zwingen. Die Website Defense One veröffentlichte am Montag ein Foto des vollgepackten Innenraums der Transportmaschine, in dem die Afghanen auf dem Boden sitzen – der vor lauter Menschen nicht mehr zu sehen ist. Laut dem Bericht der Website hatten sich panische Menschen zuvor über die halboffene Rampe ins Flugzeug gezogen. Nach der Landung in Qatar seien 640 Zivilisten gezählt worden, hieß es unter Berufung auf Sicherheitskreise. Nach Angaben des Herstellers Boeing ist die Frachtmaschine eigentlich für bis zu 134 Passagiere ausgelegt. Das US-Verteidigungsministerium bestätigte den Bericht zunächst nicht.

          Der Flugverkehr in Kabul war am Montag stundenlang unterbrochen. Erst am Abend war es amerikanischen Sicherheitskräften gelungen, zumindest einen Teil für Flüge freizumachen. Die deutsche Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer nannte am Dienstagmorgen zwei Optionen. So gebe es eine sehr kurze Gelegenheit, Botschaftsangehörige, frühere Hilfskräfte und auch andere Staatsangehörige auszufliegen. Es gebe aber, so Kramp-Karrenbauer, überdies die Hoffnung, „dass wir in den nächsten Tagen zusammen mit den US-Amerikanern eine richtige Luftbrücke aufbauen können“. Dafür seien bis zu 600 Soldaten vorgesehen. Diese Truppenstärke soll in einem Bundestagsmandat festgelegt werden, welches das Kabinett kurzfristig beschließt und das Parlament nachträglich genehmigt. Nach derzeitiger Planung soll in der kommenden Woche der Verteidigungsausschuss zu einer Sondersitzung zusammenkommen, danach tagt der Bundestag zur Fluthilfe. Bei dieser Sitzung am 25. August könnte das Parlament auch das Mandat beschließen.

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