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Gipfeltreffen mit China Wo Pekings Impfdiplomatie an ihre Grenzen stößt

Beim Gipfel mit 17 Ländern Mittel- und Osteuropas bietet Xi Jinping den chinesischen Corona-Impfstoff feil. Die Vorbehalte gegenüber China sind jedoch gewachsen.

Von Friederike Böge, Reinhard Veser

Mitarbeiterinnen in einem Impfzentrum auf dem Messegelände der serbischen Hauptstadt Belgrad am 9. Februar
© AP
Mitarbeiterinnen in einem Impfzentrum auf dem Messegelände der serbischen Hauptstadt Belgrad am 9. Februar

Chinas Impfstoff ist in manchen Teilen der Welt inzwischen ein gefragtes Gut. Am Dienstag bemühte sich Staats- und Parteichef Xi Jinping, das Vakzin auch den ost- und mitteleuropäischen Staaten schmackhaft zu machen, die Peking in dem Gesprächsformat 17+1 zusammengeführt hat. Wenn diese Länder „Impfstoffkooperation benötigen, ist China bereit, das aktiv zu erwägen“, sagte Xi bei einem virtuellen Gipfel. Ungarn und Serbien, zwei Mitglieder der Gruppe, haben den chinesischen Impfstoff längst bestellt, was in Peking als großer diplomatischer Erfolg verbucht wird. In den meisten Mitgliedstaaten der Gruppe wird über die Beschaffung aber nicht mal öffentlich diskutiert.

Auch hatte China einige Mühe gehabt, in den Hauptstädten der 17 Länder Enthusiasmus für das virtuelle Treffen zu generieren. Peking hatte es erst im Januar ad hoc anberaumt, nachdem das Investitionsabkommen mit der EU unter Dach und Fach gebracht worden war. Aus der Slowakei und Polen wurden noch kurz vor dem Treffen Vereinbarungen über Agrarexporte nach China bekannt, was vermuten ließ, dass Peking nachhelfen musste.

Auffällig war auch, dass das Außenministerium in Peking den Gipfel und Xi Jinpings Rede erst wenige Stunden vor dem Beginn ankündigte. Das führte zu Spekulationen, Xi habe erwogen, das Treffen auf eine niedere Ebene zu delegieren, falls nicht genügend ebenbürtige Partner zusammenkämen. Die Tatsache, dass Polens Präsident Andrzej Duda zusagte, war dem Staatsfernsehen sogar eine eigene Meldung wert. Estland hingegen war nur durch Außenministerin Eva-Maria Liimets vertreten, und Litauen „schickte“ gar nur seinen Verkehrsminister Marius Skuodis.

Es ist nichts Neues, dass die Staats- und Regierungschefs einiger osteuropäischer Ländern den 17+1-Gipfeln fernbleiben. Bei keinem der bisher acht Gipfeltreffen seit 2012 waren die europäischen Teilnehmer vollständig auf oberster Ebene anwesend. Doch Litauen und Estland haben die Mitteilung, dass sie nur auf Ministerebene teilnehmen, so formuliert, dass sie sich wie eine Absage an das ganze Gesprächsformat anhören. „Wir würden ein Treffen im Format EU-27+1 vorziehen, auf dem wir über die Beziehungen zwischen der EU und China reden könnten“, ließ die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas mitteilen. Und ein Sprecher des litauischen Präsidenten Gitanas Nauseda sagte: „Bei diesem Treffen werden keine für Litauen wichtigen Entscheidungen getroffen.“ Auch er verwies darauf, dass Litauen für einen Dialog zwischen der EU und China eintrete, und dass die Beziehungen auf der Wertschätzung für Menschenrechte und demokratische Werte gründen müssten.

Skepsis in den baltischen Staaten

In allen drei baltischen Staaten wird China schon lange skeptisch betrachtet. Die Stimmung in diesen Ländern ist auch daran erkennbar, dass ihre Parlamente Tibet-Solidaritäts-Gruppen haben. Litauen setzt sich offen dafür ein, Taiwan in die Weltgesundheitsorganisation aufzunehmen. Und der frühere estnische Außenminister Urmas Reinsalu dachte im Sommer vorigen Jahres schon einmal laut darüber nach, dass sein Land 17+1 ganz verlassen könnte. Ein wesentlicher Grund für die Zurückhaltung der baltischen Staaten gegenüber allen Avancen Chinas ist in den Vereinigten Staaten zu suchen: Alle drei Länder sehen in Amerika einen wichtigen Garanten ihrer Sicherheit. Auf welcher Seite sie in einem Konflikt zwischen Peking und Washington stehen, ist für sie keine Frage.

Andere Teilnehmer aus der EU an den 17+1-Treffen sprechen vielleicht nicht ganz so offen wie Estland, Lettland und Litauen, vertreten aber ähnliche Positionen. Das gilt zum Beispiel für Polen oder Rumänien. Auch diese beiden Länder messen den Beziehungen zu den Vereinigten Staaten hohe strategische Bedeutung bei.

Umso wichtiger ist der Regierung in Peking das Signal, das aus ihrer Sicht von dem 17+1-Treffen ausgeht. Die Parteizeitung „Global Times“ brachte es auf diese Formel: Der Gipfel werde zeigen, „dass die Kooperation zwischen China und den ost- und mitteleuropäischen Staaten stabil bleibt, unabhängig von politischen Veränderungen in Amerika“. Die Eile, mit der das Treffen einberufen wurde, hat wohl auch damit zu tun, dass Peking den Bemühungen der neuen amerikanischen Regierung vorgreifen will, eine Allianz in China-Fragen zu schmieden. Darüber hinaus geht es für Xi Jinping einmal mehr darum, sich als gefragter internationaler Partner zu stilisieren, auch um dem Eindruck einer zunehmenden Isolation des Landes entgegenzutreten.

Enttäuschung über ausgebliebene Investitionen

Die polnische Regierung hat sich kritisch über den Abschluss der Verhandlungen über Investitionsabkommen zwischen der EU und China Ende vergangenen Jahres geäußert. Rumänien hat schon vor einem Jahr mit den Vereinigten Staaten ein Memorandum über den Ausschluss von Huawei aus seinem Mobilfunknetz unterzeichnet. Und es hat im Mai vorigen Jahres eine Vereinbarung mit China über den Ausbau seines Atomkraftwerks Cernavoda gekündigt.

Daran, dass es diese Vereinbarung gab, ist jedoch auch zu sehen, dass die Vorbehalte gegenüber 17+1 in Bukarest nicht immer so groß waren. Neben den politischen Gründen ist auch Enttäuschung über ausgebliebene Investitionen und nicht eingehaltene wirtschaftliche Zusagen ein Grund dafür, dass sich das Land von dem Format abwendet.