: Aus dem Schatten
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Mit ihrem "oui" zur EU-Verfassung haben die Mitglieder der Sozialistischen Partei (PS) so klar wie nie zuvor ihrem Ersten Sekretär François Hollande das Vertrauen ausgesprochen. Er hat sich damit zumindest vorläufig gegen seinen wichtigsten innerparteilichen Rivalen, den ehemaligen Premierminister Fabius, durchgesetzt.
Mit ihrem "oui" zur EU-Verfassung haben die Mitglieder der Sozialistischen Partei (PS) so klar wie nie zuvor ihrem Ersten Sekretär François Hollande das Vertrauen ausgesprochen. Dem Vorsitzenden, der schon seit 1997 in der Parteizentrale in der Rue Solférino waltet, war es bislang nicht gelungen, sich von dem Ruf zu befreien, nur "zweite Wahl" zu sein. Sein parteiinterner Herausforderer, der frühere Premierminister Fabius, hatte ihn vor der Urabstimmung in unübertroffener Arroganz als "Walderdbeere" bezeichnet, die besser im Schatten gedeihe. Nach dem deutlichen Votum der Mitglieder hat der 50 Jahre alte Erste Sekretär nun aber freie Hand im Parteivorstand, wo ihm der Kreis der Widersacher um Fabius in den vergangenen Monaten viel Ärger bereitete. Nach dem Wahlsieg von Ségolène Royal bei den Regionalwahlen im Frühjahr darf sich in der vier Kinder zählenden Familie jetzt der Vater feiern lassen. Hollande hat sich mit seinem Erfolg bei der Urabstimmung auch als Kandidat für die Präsidentenwahlen 2007 in Position gebracht.

Politische Korrespondentin mit Sitz in Paris.
Der Sproß aus dem, wie er sagt, "erzkonservativen Bürgertum" der Normandie hat den typischen französischen Eliteparcours abgelegt: Schulausbildung am angesehenen Lycée Pasteur in Neuilly-sur-Seine sowie ein Studium an der "Sciences Po" und an der namhaften Handelshochschule HEC. An der Eliteverwaltungsschule Ena lernte Hollande die aus einer strengen Militärsfamilie stammende Ségolène Royal kennen. Das Paar zog schnell die Aufmerksamkeit des Präsidentenberaters Jacques Attali auf sich, der stets auf der Suche nach unverbrauchten Talenten war. Der junge Referent erster Klasse am Rechnungshof Hollande stieß schon bald zum Beraterkreis um Präsident Mitterrand hinzu. Sein Streben nach einem politischen Mandat sollte sich als mühsamer erweisen. Nun hatte sich Hollande aber als Wahlkreis auch ausgerechnet die Corrèze, die Wahlheimat Chiracs, ausgesucht. "Der Labradorhund von Mitterrand hat hier mehr Chancen als Sie", soll Chirac seinen sozialistischen Herausforderer begrüßt haben. 1988 errang Hollande zum ersten Mal ein Abgeordnetenmandat für die Nationalversammlung. Doch 1993 entzogen ihm die Wähler der Corrèze das Vertrauen. "Ein Politiker muß Niederlagen eingesteckt haben, um zu reifen", sagt Hollande heute. Doch soll er, auch um mehr Zeit für die Familie zu haben, damals ernsthaft einen Rückzug aus der Corrèze in Erwägung gezogen haben. Hollande entschloß sich dazu, die Präsidentschaftskandidatur seines Mentors Jacques Delors für 1995 vorzubereiten. Doch wieder stand er im Regen, als der EU-Kommissionspräsident auf eine Kandidatur verzichtete. Die überraschende Wende leitete der damalige PS-Vorsitzende Lionel Jospin ein, als er 1995 Hollande zum Parteisprecher beförderte. Von da war es nur noch ein Schritt zum Parteivorsitz, den Jospin ihm 1997 übertrug. Mit seinem behäbigen Auftreten und der Bonhomie eines Biedermanns hat Hollande viele Parteihierarchen in die Irre geführt. "Er ist ein Menschenfreund, der eiskalt kalkulieren kann", sagt ein Vertrauter über ihn. Ihn unterscheidet, auch von seiner Lebensgefährtin, daß er noch kein Ministeramt ausgeübt hat. In der Corrèze wird er inzwischen genauso geschätzt wie Chirac. Dem Staatspräsidenten begegnet er dort regelmäßig. Als Bürgermeister von Tulle darf Hollande auch die Gäste Chiracs begrüßen.