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Aus Angst vor Russland : Schweden rüstet auf

Gemeinsame Übung der schwedischen und der litauischen Luftwaffe im April 2014 Bild: REUTERS

Russlands Vorgehen gegen die Ukraine lässt in Schweden Alarmglocken läuten. Die Vorsitzenden der Koalitionsparteien sehen ihre Ängste „bestätigt und übertroffen“. Das Militär soll deutlich mehr Geld bekommen.

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          Es war tief in der Nacht, als sich sechs russische Kampfflugzeuge Schweden näherten. Zwei Langstreckenbomber, vier Jagdflugzeuge. Immer näher kamen sie der schwedischen Ostseeinsel Gotland. Gegen zwei Uhr morgens schließlich führten sie in einem nicht weit entfernten Gebiet offenbar eine Übung durch, bevor sie schließlich umkehrten. Was die Russen mit dem Manöver bezweckten, blieb unklar. Der Schwedische Rundfunk berichtete über den Fall, in der Tageszeitung „Svenska Dagbladet“ wurden Vermutungen geäußert, die Flugzeuge hätten Angriffe auf schwedische Militäranlagen simuliert. Ein Bestätigung gab es nie. Bestätigt aber wurde ein anderer Aufsehen erregender Vorgang dieser Nacht: Die Schweden hatten in den fraglichen Stunden kein einziges Kampfflugzeug in Bereitschaft, das in die Luft hätte aufsteigen können, um das Land zu verteidigen. Das geschah zu Ostern 2013.

          Matthias Wyssuwa
          Politischer Korrespondent in Berlin.

          Lange wurde beim Militär in Schweden gespart: die Verteidigungsausgaben gekürzt, Stützpunkte geschlossen, die Wehrpflicht abgeschafft. Doch damit soll es nun vorbei sein. Der Verteidigungshaushalt soll vom nächsten Jahr an wieder massiv steigen – auf lange Sicht dann jährlich um etwa 600 Millionen Euro zusätzlich –, kündigten die Vorsitzenden der vier Regierungsparteien am Dienstag an. In einem Gastbeitrag für die Tageszeitung „Dagens Nyheter“ sprechen sie sich für eine „erhebliche Verstärkung des Militärs aus“, mehr Kampfflugzeuge als bislang geplant sollen gekauft werden (70 statt 60 – vom eigenen Rüstungskonzern Saab) und mehr U-Boote gebaut. So soll vor allem die militärische Präsenz im Ostseeraum verstärkt werden. In einer Pressekonferenz am Dienstag sprachen die Autoren, zu denen auch Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt gehört, von einer „Richtungsänderung in der schwedischen Verteidigungspolitik“. Vorrang habe jetzt der „Schutz Schwedens“. Dabei geht es natürlich wieder um Russland – und um die Krise in der Ukraine. Denn, so steht es in dem Gastbeitrag: „Wir sehen derzeit, dass Russlands Vorgehen die Ängste bestätigt und übertrifft, die wir hatten.“

          Ein weiterer Grund: in Schweden herrscht Wahlkampf

          Nach dem Ende des Kalten Krieges sorgte man sich im Königreich lange nicht übermäßig über die Gefahr, die von der einzigen Großmacht im Osten ausgehen könnte. Das neutrale Schweden beteiligte sich stattdessen in den vergangenen Jahren an internationalen Einsätzen fern der Heimat, übte zusammen mit der Nato. Doch spätestens der Osterbesuch der russischen Kampfflugzeuge 2013 zeigte, dass es wieder Anlass gab, um über die Verteidigungsfähigkeit des Landes zu diskutieren. Aufsehen hatte Wochen zuvor schon eine Äußerung des schwedischen Oberbefehlshabers erregt: Schweden, sagte er, könne sich bei einem Angriff nur eine Woche verteidigen. Heftiger wurde die Debatte schließlich, als sich die Situation auf der Krim zuspitzte. Als Reaktion verlegten die Schweden zwei Kampfflugzeuge nach Gotland.

          Heftiger wurde die Debatte wohl aber auch aus einem ganz anderen Grund: In Schweden herrscht Wahlkampf, im September wird ein neuer Reichstag gewählt. Vor diesem Hintergrund muss auch die Ankündigung vom Dienstag betrachtet werden. Es ist derzeit nämlich ziemlich unsicher, ob nach der Wahl die bürgerliche Regierung überhaupt noch an der Macht ist, um den Militärhaushalt in den nächsten Jahren aufzustocken. Die oppositionellen Sozialdemokraten äußerten schon mal Zweifel am Finanzierungskonzept für die Pläne.

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