Attentate in Russland : Doppelschlag in Wolgograd
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Was immer das Internationale Olympische Komitee auch von sich gibt: Heiter werden diese Spiele in Sotschi nicht, über denen schon seit der Vergabe eine gewisse Düsternis steht.
Russland ist eine gelenkte Demokratie, in der, ungeachtet der jüngsten publikumswirksamen Milde des Präsidenten, Oppositionelle nichts zu lachen haben. Der Rechtsstaat ist, zurückhaltend formuliert, unterentwickelt. Nach eigenem Bekunden hält Putin den Untergang der Sowjetunion für eine historische Katastrophe; sein Weltbild ist eindeutig. Im 18. und 19. Jahrhundert betrieben die russischen Zaren eine brutale Kolonialisierungspolitik, unter der nicht zuletzt die Völker des Kaukasus zu leiden hatten. Die Brutalität der Sicherheitskräfte bekommen die Bewohner dieser Region noch heute zu spüren. Das alles ist so.
Aber das darf auch nicht im Entferntesten als Rechtfertigung und Entschuldigung für Terror dienen, dafür, dass jetzt in der südrussischen Stadt Wolgograd binnen 24 Stunden mehr als zwei Dutzend Personen bei Terroranschlägen das Leben verloren. Unschuldige Reisende und Pendler wurden ermordet von mutmaßlich islamistischen Terroristen, die im Nordkaukasus einen islamischen Staat errichten und die Olympischen Winterspiele in Sotschi verhindern wollen.
Keine bemäntelnde Nachsicht
Auch in Russland müssen Reisende mit der Bahn oder mit dem Bus fahren können, ohne dass sie um ihr Leben fürchten müssen. Was für Städte im Westen gilt, muss selbstverständlich auch für Wolgograd gelten und für jede andere russische Stadt. Der Terror, das heimtückische Mittel von Politbanden im sogenannten asymmetrischen Krieg, verdient keine bemäntelnde Nachsicht, nur weil sich die Täter für vergangenes (tatsächliches und eingebildetes) Unrecht rächen wollen, ob in Spanien, Nordirland oder eben in Russland. Wenn russische Sicherheitskräfte rücksichtslos vorgehen, ist das gewiss zu kritisieren; aber diese Rücksichtslosigkeit gibt niemandem eine Lizenz für Terror und Massenmord.
Dass die Führung in Moskau jetzt im höchsten Maße alarmiert ist, darf sechs Wochen vor Beginn der Winterspiele nicht verwundern. Die Sicherheitsvorkehrungen werden weiter verstärkt, die Kontrollen rund um den Austragungsort noch intensiver werden. Heiter werden diese Spiele, über denen schon seit der Vergabe eine gewisse Düsternis steht, nicht werden, was immer das IOC auch von sich gibt. Gleich was man von der Vergabe nach Sotschi hält und gehalten hat – heute muss man vor allem hoffen, dass nicht Schlimmes dort geschieht. Und auch anderswo nicht.