Anis Amri : Der hochmobile Islamist
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In Oueslatia, Tunesien: Mustafa Amri, der Vater von Anis, im Gespräch mit einem der Brüder, Walid. Bild: Reuters
Anis Amri wurde schon in seiner Heimat Tunesien straffällig, dann auch in Italien. Im Sommer 2015 kam er nach Deutschland. Dort lief schief, was nur schieflaufen kann.
Der dringende Tatverdacht gegen den Tunesier Anis Amri, den Terroranschlag in Berlin verübt zu haben, hat sich am Donnerstag noch einmal erhärtet. Bundesinnenminister Thomas de Maizière bestätigte, dass die Fingerabdrücke des Mannes an einer der Türen des Lastwagens gefunden wurden, den er am Montagabend in den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche steuerte.
Zunächst war eine Geldbörse im Fonds des Lastwagens gefunden worden. Sie enthielt eine Bescheinigung über die Duldung des Aufenthalts in Deutschlands, die Asylbewerber bekommen, wenn ihr Antrag abgelehnt wurde, sie aber zunächst nicht abgeschoben werden können. Wie der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) am Mittwoch in Düsseldorf mitgeteilt hatte, lag das daran, dass die tunesischen Behörden gegenüber der Ausländerbehörde im Kreis Kleve bestritten, Amri sei Tunesier. Weigert sich ein Staat, einen abgelehnten Asylbewerber zurückzunehmen, kann er nicht abgeschoben werden.
„Durchwinken“ hatte sich bereits eingebürgert
Die Ausländerbehörde in Kleve war seit 2015 für das Asylverfahren Amris zuständig. Wie er dorthin kam, ob ihm der Ort zugewiesen worden war oder ob er ihn von sich aus gewählt hatte, ist noch unklar. Sicher ist, dass die Einreise Amris nach Deutschland im Juli 2015 in Freiburg registriert wurde. Dass er damals nicht, wie im Asylrecht eigentlich vorgeschrieben, in die Staaten zurückgewiesen wurde, über die er nach Deutschland gekommen war, mutmaßlich über Italien und Österreich, lag daran, dass sich damals schon das „Durchwinken“ von mutmaßlichen Flüchtlingen eingebürgert hatte.
Amri hielt sich allerdings schon seit Jahren in Europa auf – seit 2011, als er über Lampedusa nach Italien gekommen war. Italien könnte jetzt auch die Fingerabdrücke Amris abgeglichen haben, die in Berlin nachgewiesen wurden. Denn sie wurden Amri in Italien abgenommen, weil er dort straffällig und 2013 zu einer vierjährigen Haft verurteilt worden war – wegen Diebstahls, Brandstiftung und Körperverletzung.
Anis Amri hatte noch Kontakt zu seiner Familie
Schon nach zwei Jahren kam Amri frei, wurde aber nicht abgeschoben – aus demselben Grund wie ein Jahr später: weil die Papiere fehlten. Sporadisch hielt Amri aber Kontakt zur Heimat. Sein Bruder berichtete dem tunesischen Sender „Jahwra“, er habe noch vor ein paar Wochen mit Amri gesprochen. Dass es ihm gut gehe, habe er ihm zuletzt gesagt. Dass er arbeite, dass er im Januar nach Tunesien zurückkommen wolle – zumindest dass er „arbeite“ stimmte nicht ganz, je nach dem, was Amri unter Arbeit verstand.
Die Familie des mutmaßlichen Attentäters lebt in Oueslatia im Gouvernorat Kairouan, einem kleinen Nest im seit jeher vernachlässigten Landesinneren von Tunesien. Anis Amri wuchs dort auf. In seiner Duldungsbescheinigung wird der viel weiter im Süden im Grenzgebiet zu Libyen liegende Ort Tataouine als sein Geburtsort angegeben. Nach der Geburt zog die Familie nach Oueslatia.
Tunesien : Anis Amris Familie unter Schock
In Tunesien hätte Amri eine Haftstrafe antreten müssen
„Ich habe nicht gespürt, dass er sich verändert hat“, sagt Walid, ein weiterer seiner Brüder. Ihm sei nicht aufgefallen, dass in seinem Bruder extremistisches Gedankengut heranwuchs. Ähnliches ist von anderen Geschwistern zu hören. Anis Amri sei im Frühjahr 2011 nach Europa gegangen, um Arbeit zu finden, heißt es. Er soll nicht einmal besonders religiös gewesen sein.
Nachbarn berichten der tunesischen Presse dagegen, Amri sei ein Verbrecher. Auch aus den Justizbehörden heißt es, dass ihm bei einer Rückkehr eine langjährige Haftstrafe wegen schweren gewalttätigen Raubes gedroht hätte. Im Jahr 2010 soll Amri einen Lastwagen gestohlen haben. Zur Festnahme kam es aber nicht, weil sich Amri nach Italien absetzte.